UNIVERSITY OF KOBLENZ
Universitätsstraße 1
56070 Koblenz
Das Kieslückensystem (hyporeisches Interstitial, kurz Hyporheal) ist der durchströmte und belebte Porenraum der Gewässersohle, welcher Flusswasser und Grundwasser verbindet. Die Hauptfunktionen des Hyporheals sind der Abbau von Nähr- und Schadstoffen und die Funktion als Lebensraum für Fischlaich, Muscheln und Larvenstadien von Fischen und Insekten. Somit ist ein intaktes Hyporheal essentiell für die Selbstreinigungskraft unserer Fließgewässer und als Kinderstube seiner Bewohner.
In vielen kleineren und mittelgroßen Fließgewässern (Äschen- und Barbenregion) sind die natürlichen Bestände großwüchsiger Fischarten (> 15 cm), insbesondere von Nase (Chondrostoma nasus) und Döbel (Squalius cephalus), stark zurückgegangen. Die Nase ist ein algenfressender Fisch und der Döbel ernährt sich v. a. von Kleinfischen, wodurch wiederum deren Nahrung - algenfressende Wirbellose - geschont werden. Deshalb führt der Bestandseinbruch dieser Fische zu einem unkontrollierten Wachstum benthischer Algen. Nach dem Absterben der Algen wird ein Großteil der organischen Substanz in das Kieslückensystem gespült, wo es unter Sauerstoffverbrauch mikrobiell abgebaut wird. Daraus resultieren sehr geringe Sauerstoffkonzentrationen bis hin zu sauerstofffreien Bedingungen im Kieslückensystem, welches die Kinderstube einer Vielzahl von Fließgewässerorganismen ist.
Diese, bisher meist verkannte, Schlüsselrolle der großwüchsiger standorttypischer Fischarten Nase und Döbel wurde im, vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten, Projekt BIOEFFEKT an der Nister als Modellgewässer experimentell untersucht.
Prinzipiell soll das Nahrungsnetz durch Erhöhung des Fischbestandes gesteuert werden. Damit soll die Menge der algenfressenden Organismen (Weidegänger) erhöht und die Biomasse der Algen gesenkt werden. So soll die Verstopfung des Kieslückensystems reduziert und die Lebensraumqualität verbessert werden. In Seen und Talsperren wird dieses Prinzip bereits erfolgreich angewendet. Da Fließgewässernahrungsnetze grundsätzlich anders strukturiert sind, wird hier die Anwendbarkeit überprüft.
In diesem Modell - und Erprobungsvorhaben soll die Umsetzbarkeit der Biomanipulation in Fließgewässern gezeigt werden. Die konkreten Ziele sind:
Reduktion der Eutrophierungserscheinungen
Verbesserung der Qualität des hyporheischen Interstitials (Gewässersedimente)
Erhalt der aquatischen Biodiversität
Förderung wichtiger Ökosystemdienstleistungen (z.B. Selbstreinigung, Mineralisierung)
Der zentrale Teil des Projektes ist ein großskaliges, 4-jähriges Experiment zur Nahrungsnetzsteuerung an der Nister. Hier sollen durch eine gezielte Manipulation der Bestände großwüchsiger Fische (Nase, Döbel) die Auswirkungen der Fische auf die Qualität des Kieslückensystems (Interstitial) dokumentiert werden. Wichtige Messgrößen sind z.B. die Sauerstoffkonzentration im Interstitial, der Wasseraustausch zwischen Oberfläche und Interstitial sowie die Algenbiomasse.
Kormorane sind sehr effektive Fischräuber, die in Deutschland brüten und überwintern. Sie fressen ca. 500g Fisch pro Tag und bevorzugen größere Tiere (30 cm). Europaweit haben sich die Bestände dieser geschützten Art seit Jahren deutlich erholt. Damit können sie die Fischbestände kleinerer Flüsse stark beeinflussen. Daher wurde im zweiten Teil des Projektes ihr Fraßdruck auf Nasen und Döbel quantifiziert um die Notwendigkeit einer Bestandsregulation parallel zur Biomanipulation zu prüfen.
Die Steuerung der Fischbestände führte im 4-jährigen Freilandexperiment zu einer signifikanten Verbesserung der Qualität des hyporheischen Interstitials. So konnte die Sauerstoffversorgung der Sedimente signifikant verbessert werden (Sauerstoffkonzentration, Wasseraustausch zwischen Oberfläche und Interstitial). Auch die Algenbiomasse (gemessen als Chlorophyll a) wurde in den tieferen Fließabschnitten der Nister signifikant reduziert. Im Frühling waren diese positiven Effekte besonders ausgeprägt.
Um den Einfluss des Kormorans und die Effektivität der Vergrämung zum Schutz der Fischbestände im Rahmen des Projektes zu untersucht, wurde der Prädationsdruck in einem Winterquartier quantifiziert. Trotz sehr intensiver Kormoranvergrämung wurden dort ca. 25% des gesamten Fischbestandes durch piscivore Vögel entnommen. Da maximal 30% eines Fischbestandes nachhaltig entnommen werden kann, ist ein Fraßdruck in dieser Größenordnung als hoch einzustufen. Man kann davon ausgehen, dass die Winterverluste ohne Kormoranvergrämung noch wesentlich größer sind und den Fischbestand massiv beeinflussen können.