ProCTMa - Programmieren und Computational Thinking im Mathematikunterricht

ProCTMa untersucht, wie sich Programmieren und Computational Thinking mit dem Mathematikunterricht verzahnen lässt. Dabei werden im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes Materialien für die Integration von Programmieren in den Regelunterricht, Best-Practice-Beispiele zur Förderung von Computational Thinking in mathematischen Modellierungsprojekten und didaktische Konzepte für die Programmierausbildung von Lehramtsstudierenden erprobt.

Willkommen auf der Seite des Projekts ProCTMa ("Programmieren und Computational Thinking im Mathematikunterricht")!

Programmieren als "mathematisches Experimentieren" - diese Idee hatte bereits Seymour Papert in den 60ern mit dem Konzept der Turtlegeometrie (Feuerzeig et al., 2011). Kinder können dabei über einfache Befehle wie "Vorwärts" oder "Drehe dich um 90 Grad nach rechts" eine Schildkröte (engl. Turtle) steuern, welche über den Bildschirm läuft. Die Turtle hinterlässt dabei eine Spur, als würde sie einen Stift hinter sich herziehen. Dieses einfache Konzept erlaubte einen algorithmischen Zugang zur Konstruktion verschiedener geometrischer Figuren von einfachen Vierecken bis hin zu komplexen Pakettierungen.

heron1.png
Das Heron-Verfahren entdecken: Die Schülerinnen und Schüler erstellen ein Scratch Programm (links), welches ein Rechteck mit vorgegebenem Flächeninhalt und vorgegebener Seite a erzeugt und Seite b berechnet. Durch Variation von a lässt sich ein Quadrat annähern (rechts). (Quelle: https://scratch.mit.edu)

Algorithmen sind eine der fundamentalen Ideen der Mathematik. Über das Ausführen hinaus sind jedoch besonders das Verstehen und Entwerfen von Algorithmen eine komplexe Herausforderung im Unterricht. Das Programmieren liefert dabei die Möglichkeit einer gemeinsame Sprache, die das exakte Formulieren einzelner Lösungsschritte von den Schülerinnen und Schülern einfordert.

Gerade das klare Formulieren von Lösungsschritten, welche "extern" durch den Computer ausgeführt werden müssen, und die damit einhergehenden Problemlösestrategien sorgen dafür, dass Programmieren zudem als Möglichkeit zum Fördern von Computational Thinking innerhalb des Mathematikunterrichts angesehen wird.

Nicht zuletzt ist das Programmieren auch ein fester Bestandteil der Tätigkeit von Mathematikern - gerade in angewandten Bereichen. Das Implementieren von Algorithmen oder die Formulierung von Problemen für einen fertigen Löser sind hierbei fester Bestandteil der Tätigkeit. Das Programmieren im Unterricht kann hier helfen, ein realistisches Bild der Mathematik zu vermitteln.

Während in Ländern wie Schweden das Programmieren bereits im Lehrplan für den Mathematikunterricht der Sekundarstufe verankert wurde, ist dies in Deutschland nicht der Fall. Hier setzt ProCTMa an und entwickelt basierend auf den mathematischen Inhalten des Lehrplans Unterrichtsmaterialien und -einheiten für den Einsatz von Programmierung als mathematisches Werkzeug.

Computational Thinking (kurz CT; im Deutschen oft als "informatisches Denken" übersetzt) sind nach einer Definition von Wing (2017) Gedankenprozesse zur Formulierung von Problemen und Lösungen in einer solchen Art, dass sie von einem "Computer" ausgeführt werden können. Dabei bezieht sich "Computer" in diesem Fall auf die grundsätzliche Auffassung von einem externen Agenten, welcher etwas berechnet. Das kann eine Maschine, aber auch ein Mensch sein, welcher Anweisungen umsetzt.

Welche Gedankenprozesse dies umfasst, ist aktiver Diskussionsgegenstand der Forschung. Ein einfaches Modell hierfür ist beispielsweise das PRADA-Modell (Dong et al., 2019), welches sich aus den folgenden vier Aspekten zusammensetzt:

  • Pattern Recognition (Mustererkennung), also das Erkennen von Mustern in Daten, Prozessen oder Problemen
  • Abstraction (Abstraktion), also das Identifizieren der relevanten und grundlegenden Informationen und Eigenschaften in Daten, Prozessen oder Problemen
  • Decomposition (Problemzerlegung), also das Zerlegen von Problemen, aber auch Datenmengen oder Prozesse in kleinere, leichter handhabbare Teile
  • Algorithms (Algorithmen), also das Entwickeln von Schritt-für-Schritt-Anleitungen, welche nicht nur ein einziges Problem, sondern in der Regel eine ganze Klasse von Problemen löst

CT wird als eine Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert betrachtet (Grover & Pea, 2017), um den Einsatz von Rechnern in verschiedenen Bereichen zu verstehen und für sich selbst zu nutzen. Dabei ist CT nicht als informatische, sondern als überfachliche Kompetenz zu verstehen, die in vielen Bereichen wie beispielsweise Mathematik oder Naturwissenschaften breite Anwendung findet.

Computational Thinking im PRADA-Modell nach Dong et al. (2019)

ProCTMa beschäftigt sich mit dem Potential von Programmieren als Werkzeug sowie dem Fördern und Nutzen von Computational Thinking im Mathematikunterricht. Ziel ist es dabei mit einem design-basierten Ansatz Unterrichtsmaterialien, Projekte und Fortbildungen zu entwickeln und Einsatzmöglichkeiten sowie Vor- und Nachteile dieser zu evaluieren.

Das Projekt gliedert sich dabei in drei Teilprojekte (TP), welche verschiedene Perspektiven einer möglichen Integration von Programmieren bzw. Computational Thinking in den Mathematikunterricht beleuchten.

In TP1 und TP2 konkrete Maßnahmen zur Integration von Programmieren in den Mathematikunterricht und dem Fördern von Computational Thinking aus curricularer und extracurricularer Perspektive betrachtet und entwickelt. TP3 wiederum evaluiert die bestehende Ausbildung und Einstellungen von Lehramtsstudierenden im Bezug auf Programmieren und entwickelt Maßnahmen, um diese fachlich wie didaktische auf einen späteren Werkzeugeinsatz vorzubereiten.

Ansprechpartner

Bei ProCTMa handelt es sich um das Promotionsprojekt von Lukas Bayer. Bezüglich Fragen oder anderweitiger Anliegen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Quellen

  • Dong, Y., Catete, V., Jocius, R., Lytle, N., Barnes, T., Albert, J., Joshi, D., Robinson, R., & Andrews, A. (2019). PRADA: A practical model for integrating computational thinking in K-12 Education. Proceedings of the 50th ACM Technical Symposium on Computer Science Education (pp. 906–912). https://doi.org/10.1145/3287324.3287431
  • Feurzeig, W., Papert, S. A., & Lawler, B. (2010). Programming-languages as a conceptual framework for teaching mathematics. Interactive Learning Environments19(5), 487–501. https://doi.org/10.1080/10494820903520040
  • Grover, S. , & Pea, R. (2018). Computational Thinking: A Competency Whose Time Has Come. In S. Sentance , E. Barendsen & C. Schulte (Ed.). Computer Science Education: Perspectives on Teaching and Learning in School (pp. 19–38). London: Bloomsbury Academic. Retrieved January 17, 2025, from http://dx.doi.org/10.5040/9781350057142.ch-003
  • Wing, J. M. (2017). Computational thinking’s influence on research and education for all. Italian Journal of Educational Technology, 25(2), 7-14. https://doi.org/10.17471/2499-4324/922