Open Educational Resources werden im Deutschen oft mit „freien Bildungsressourcen“ oder „offenen Bildungsmaterialien“ übersetzt. Dies liegt daran, dass wenn man von OER spricht, mit dem Begriff open sowohl frei als auch offen gemeint ist. Das Attribut frei bezieht sich dabei auf den freien Zugang und die freie Verfügbarkeit der Materialien (vergleichbar dem Open Access), während offen die Möglichkeiten der Veränderung und Bearbeitung des Materials betont. Der US-amerikanische Lernpsychologe und Instruktionsdesigner David Wiley hat sich bemüht, den Begriff der Offenheit genauer zu definieren, und umschreibt ihn als das Recht, mit einem Material die folgenden fünf Aktivitäten (5R Activities oder 5R Permissions) ausüben zu dürfen:
1. Behalten (Retain). Bewahren Sie das Wissen.
Darunter wird die Freiheit verstanden, eine Kopie der Ressource erstellen, besitzen und kontrollieren (z. B. eine eigene Kopie herunterladen und behalten) zu dürfen.
2. Weitergeben (Redistribute). Teilen Sie das Wissen.
Darunter wird die Erlaubnis verstanden, Kopien einer ursprünglichen, überarbeiteten oder neu gemischten Version der Ressource an andere weiter zu geben (z.B. eine Kopie online zu stellen oder sie an Freunde oder Kollegen zu verteilen).
3. Überarbeiten (Revise). Adaptieren Sie das Wissen.
Darunter wird das Recht verstanden, ein Material bearbeiten, anpassen und verändern (z. B. in eine andere Sprache übersetzen) zu dürfen.
4. Vermischen (Remix). Erweitern Sie das Wissen.
Darunter wird die Möglichkeit verstanden, eine ursprüngliche oder überarbeitete Kopie der Ressource mit anderem vorhandenen Material kombinieren zu dürfen, um etwas Neues zu schaffen.
5. Wiederverwenden (Reuse). Nutzen Sie das Wissen.
Darunter wird die Freiheit verstanden, eine ursprüngliche, überarbeitete oder neu gemischte Kopie der Ressource öffentlich, z.B. auf einer Website, in einer Präsentation oder im Unterricht, zu verwenden.
Dennoch: die eine einzige, allgemeingültige Definition von OER gibt es nicht. Die Vorstellungen, was genau als Open Educational Resources gelten kann und was nicht, variieren. Vor allem der Begriff der Offenheit gibt kontinuierlich Anlass zu Diskussionen.
Häufig wird bei der Konkretisierung von Offenheit auf die 5R Acitivities von Wiley und auf die Definition der UNESCO verwiesen. Interpretiert man diese sehr streng, kann als OER nur solches Material gelten, dass alle 5R Aktivitäten zulässt und keine Personen, Gruppen oder Nutzungszwecke ausschließt. Nach dieser Betrachtungsweise können nur die Materialien, die auch zu kommerziellen Zwecken genutzt werden dürfen, die Veränderungen zulassen und die kostenlos und frei zugänglich sind, als ‚echte‘ Open Educational Resources gelten.
Andere Interpretationen verstehen dies offener und betrachten alle Materialien, die zumindest frei zugänglich sind und öffentlich genutzt und weitergegeben werden dürfen, als OER. Wahre Offenheit beginnt mit kleinen Schritten, und es soll jeder UrheberIn gestattet sein, sich frei entscheiden zu können, wie weit sie ihr Material für andere öffnen möchte. Demnach ist allein das Bereitstellen von Lehr- und Lernressourcen, selbst ohne die Möglichkeiten zu einer Veränderung oder kommerziellen Nutzung, eine Form der Öffnung von Bildung für alle und des Teilens von Wissen. Nach diesem Verständnis können alle unter einer CC-Lizenz veröffentlichten Materialien als Open Educational Resources gelten.
Quelle der 5R Aktivitäten: David Wiley, Defining the „Open” in Open Content and Open Educational Resources, 2014