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DO_KiL
Hier geht es zu unserem Hörspiel "Das Dorf liegt berührt da"
Foto: TRAFO Modelle für Kultur im Wandel © Sandrino Donnhauser
Eine künstlerische Residenz ist… was genau?
Bei einer künstlerischen Residenz bekommen Künstler*innen die Möglichkeit für einen gewissen Zeitraum an einem anderen Ort zu wohnen und arbeiten. Manchmal können sie den Ort selbst aussuchen, manchmal werden sie von den Bewohner*innen eingeladen. Die Arbeit ist dabei am Prozess orientiert – oft ergibt sich das künstlerische Vorhaben erst aus dem Leben vor Ort. Im Projekt DO_KiL wurden Künstler*innen bei Residenzen in Hessen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern begleitet.
Und wer ist an den Residenzen beteiligt?
Das Ziel der untersuchten Residenzprogramme ist es, einen Austausch zwischen den Künstler*innen und den Menschen vor Ort zu schaffen. Die gemeinsame künstlerische Arbeit soll einen Perspektivwechsel auf den eigenen Ort bzw. die eigene Region bewirken. Oft versuchen die Künstler*innen, eine möglichst vielfältige Gruppe von Menschen an ihren Vorhaben zu beteiligen.
Wie wurde geforscht?
Wir begleiteten die Residenzen durch teilnehmende Beobachtungen, Gruppendiskussionen und Interviews mit Beteiligten – vor, während und nach der Zeit, in der die Künstler*innen vor Ort waren. Das Besondere an unserem Projekt ist, dass wir die Projekte teilweise über mehrere Jahre begleiten konnten. Es war Teil unserer Strategie, dabei auch Hilfstätigkeiten zu übernehmen oder bei Problemen ansprechbar zu sein. Dadurch ist ein intensiver Kontakt zu den Teilnehmenden, Künstler*innen und Residenzprogrammen entstanden.
Und was wurde herausgefunden?
Residenzübergreifend zeigen sich folgende Phasen des Ablaufs: Vorbereitung, Ankommen und Kennenlernen, Projekte (weiter) entwickeln und Mitspieler*innen finden, Realisieren, Finalisieren, Aufführung/Finale.
Ein zentrales Ergebnis des Projektes ist, dass der Prozess und dessen Gestaltung im Zentrum der Residenzprojekte stehen.
In den Aussagen von Expert*innen wird Herausforderung als bedeutender Aspekt einer künstlerischen Residenz hervorgehoben und als ein wechselseitiges Verhältnis der Akteur*innen beschrieben. So sind es zum einen die Künstler*innen, die herausgefordert sind, sich in ein Verhältnis zu den Menschen, Gegebenheiten etc. vor Ort zu setzen und künstlerisch darauf zu antworten. Und umgekehrt sind es die Akteur*innen vor Ort, die herausgefordert sind, sich an den künstlerischen Prozessen in unterschiedlicher Form als Ko-Produzent*innen einzubringen. Darin ist ein bildendes Moment für beide Seiten enthalten.
Machtfigurationen treten in Residenzen u.a. in Anbahnungsprozessen dieser auf und sind vielschichtig und ambivalent. Von größter Relevanz für eine gelingende Residenz scheint es für die Künstler*innen zu sein, das Vertrauen der Bevölkerung und potentieller Teilnehmender zu gewinnen. Indem sowohl die Residenzkünstler*innen als auch die lokale Bevölkerung Vertrauen an den Beginn ihres gemeinsamen Weges setzen, begeben sie sich in ein gegenseitiges Erwartungsverhältnis, das durchaus spannungsvoll ist.
Im Sinne eines un/doing difference entwarfen die Residenzkünstler*innen in der Arbeit mit sozialen Gruppen Perspektiven auf lokale Umgangsweisen mit gesellschaftlicher Heterogenität, gerade indem sie bestimmte Kategorien explizit machten und ihre Hervorbringung sowie Relevanz ästhetisch befragten. Die Beteiligten wurden in diesem Prozess kultureller Bildung eingeladen, sich mit ihrem Lebensraum, seiner Geschichte und Zukunft, gestaltend auseinanderzusetzen.
Häufig fehlen am Ende einer Residenz Zeit und Raum dafür, zusammen mit allen Beteiligten über Anschlüsse, andere Wege oder Verwerfungen zu diskutieren. Die ethnografische Begleitung hat gezeigt, dass in der Konzeption der Residenzprojekte eine entscheidende Lücke besteht: Diese betrifft Reflexion und Nachsorge für alle Beteiligten nach Beendigung der Projekte, die meist nicht vorgesehen sind.
Das Wesen der Residenz ist, dass sie zeitlich begrenzt ist. Daraus zieht sie ihre Legitimation und ihre Kraft. Egal wie intensiv sich Teilnehmende und Künstler*innen während der Residenz verbinden – es bleibt eine Beziehung, die nicht auf Dauer angelegt ist. Für einen kurzen Moment kann sie Räume des Dritten öffnen; ihre Institutionalisierung ist jedoch nicht vorgesehen. Die Nachhaltigkeitspotenziale sind deshalb bei temporär angelegten Residenzprojekten tendenziell eher in individuellen Bildungsprozessen zu verorten. Sie könnten in Folgeprojekten konkret in den Blick genommen werden.
Publikationen
Veröffentlichungen
Herausgeberschaft
- Waburg, Wiebke/Kranixfeld, Micha/Sterzenbach, Barbara/Westphal, Kristin (Hg.) (2024): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Un/Doing Difference im Zusammenspiel künstlerischer, sozialer und bildender Prozesse. Weinheim.
- Krüger, Jens Oliver/Waburg, Wiebke/Westphal, Kristin/Kranixfeld, Micha/Sterzenbach, Barbara (Hg.) (2023): Landschaft - Performance - Teilhabe. Ländliche Räume in kultureller Bildung und künstlerischer Praxis. Bielefeld.
Einzelbeiträge
- Westphal, Kristin: Politische und Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen. In: Schneider (Hg.): Poesie, Heimat und Politik. Theater Willy Praml. Berlin, S. 110-125.
- Kranixfeld, Micha; Waburg, Wiebke; Weißenfels, Sarah; Sühnel, Nadja (2024): Das Dorf liegt berührt da. Skript für ein Live-Hörspiel. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 102-130.
- Waburg, Wiebke; Kranixfeld, Micha (2024): Un/Doing Difference. Eine Perspektive auf Umgangsweisen mit gesellschaftlicher Vielfalt in Prozessen kultureller Bildung in ländlichen Räumen. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 132-141.
- Wolter, Marleen; Kranixfeld, Micha (2024): „Sie sind nicht von hier!“ Doing Rurality im Kontext künstlerischer Residenzen in ländlichen Räumen. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 142-170.
- Weißenfels, Sarah; Frohn, Letitia (2024): „Wir wollen etwas anderes zeigen“. Un/Doing Gender in künstlerischen Residenzen in ländlichen Räumen. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 171-194.
- Westphal, Kristin (2024): „Durch andere Zeiten sprechen“. Un/Doing Local History. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 195-224.
- Waburg, Wiebke (2024): „Das wird man nie vergessen, auf meine alten Tage dieses Schöne nochmal zu erleben“. Un/Doing Age in beteiligungsorientierten künstlerischen Residenzen. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 225-244.
- Nehmzow, Lorena (2024): „Versuchen zu verstehen, wie funktioniert das da eigentlich“. Residenzkünstler*innen aus migrationswissenschaftlicher Perspektive betrachtet. In: Waburg et al. (Hg.): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 245-262.
- Kranixfeld, Micha/Waburg, Wiebke/Sterzenbach, Barbara (2024): „Kritische Raben“ – Eine Einladung zum prozesshaften Ergreifen von Transfergelegenheiten, in: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://kubi-online.de/artikel/kritische-raben-einladung-zum-prozesshaften-ergreifen-transfergelegenheiten (letzter Zugriff am 30.01.2024)
- Kristin Westphal, Micha Kranixfeld (2024/2023): Landschaft als Mitspielerin? Ortsbezogene Performance in ländlichen Räumen, in: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/landschaft-mitspielerin (letzter Zugriff am 22.01.2024).
- Sauer, Ilona (2023): Der Weg hat uns die Fragen gestellt! Kindheits- und Landschaftsbilder in der künstlerischen Arbeit mit Kindern, in: Krüger et al.: Landschaft - Performance - Teilhabe. Ländliche Räume in kultureller Bildung und künstlerischer Praxis. Bielefeld.
- Sterzenbach, Barbara (in Vorbereitung): Wald als Spielort bei Theater Joschik, in: Krüger et al.: Landschaft - Performance - Teilhabe. Ländliche Räume in kultureller Bildung und künstlerischer Praxis. Bielefeld.
- Westphal, Kristin/Kranixfeld, Micha (2023): Landschaft als Mitspielerin? Ortsbezogene Performance in ländlichen Räumen, in: Krüger et al.: Landschaft - Performance - Teilhabe. Ländliche Räume in kultureller Bildung und künstlerischer Praxis. Bielefeld.
- Waburg, Wiebke/Kranixfeld, Micha/Sterzenbach, Barbara/Westphal, Kristin/Sauer, Ilona (2023): Kritische Raben. Transfergelegenheiten im Rahmen der ethnografischen Begleitung künstlerischer Residenzen in ländlichen Räumen prozesshaft gestalten, in: Nina Kolleck/Luise Fischer (Hg.): Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen: Transfer, Ko-Konstruktion und Interaktion zwischen Wissenschaft und Praxis. Leverkusen-Opladen, S. 188-198. DOI: 10.2307/jj.6505284.19
- Kranixfeld, Micha; Sterzenbach, Barbara (2022): Eine Frage des Vertrauens. Aushandlungen von Macht in Anbahnungsprozessen partizipativer künstlerischer Residenzen in ländlichen Räumen, in: Falk et al. (Hg.): Zeitgenössische Theaterpädagogik. Macht- und diskriminierungskritische Perspektiven. Bielefeld: Transkript, S. 97-112. DOI: 10.14361/9783839457757-008.
- Kranixfeld, Micha (2022): Bewegungen auf unsicherem Untergrund. Studio Vogelsberg als ökofeministische Situation und Versammlung, in: Westphal et al. (Hg.): Kids On Stage. Andere Spielweisen von Kindern und Jugendlichen in der Performancekunst. Oberhausen, S. 475-486.
- Sterzenbach, Barbara; Kranixfeld, Micha; Waburg, Wiebke (2022): Choreographien vor den Überwachungskameras der Kleinstadt. Selbstaufnahmen und digitale Assemblagen in SELFIES2 von Kılınçel&Schaper als Befragung von Machtfigurationen in ländlichen Räumen, in: MedienPädagogik: Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. Zürich, S. 307-330. Link zum Text auf KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/choreografien-vor-den-ueberwachungskameras-kleinstadt
- Sauer, Ilona (2022): Passagen: Gehen-Weitergehen. Künstlerische Positionierungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den FLUX Residenzprojekten, in: Westphal et al. (Hg.) Kids On Stage. Oberhausen, S. 339-354.
- Westphal, Kristin (2022/2021): Ortsbezogene Performance als raumbildender Prozess. Am Beispiel der künstlerischen FLUX-Residenz Vogelsbergstudio, in: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/ortsbezogene-performance-raumbildender-prozess-beispiel-kuenstlerischen-flux-residenz (letzter Zugriff am 18.09.2022).
- Waburg, Wiebke; Westphal, Kristin; Kranixfeld, Micha; Sterzenbach, Barbara (2022): Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen – Theoretische und empirische Annäherungen, in: Nina Kolleck et al. (Hg.): Forschung zu kultureller Bildung in ländlichen Räumen. Weinheim, S. 263-179. Link zur Verlagsseite: https://www.beltz.de/fachmedien/erziehungswissenschaft/produkte/details/46492-forschung-zu-kultureller-bildung-in-laendlichen-raeumen.html
Vorträge
- Kranixfeld, Micha; Waburg, Wiebke (2023): Kritische Raben - Transfergelegenheiten im Rahmen der ethnografischen Begleitung künstlerischer Residenzen in ländlichen Räumen prozesshaft gestalten. Vortrag im Rahmen der Tagung "Experiment Wissen. Wissenstransfer in der kulturellen Bildung gemeinsam gestalten" an der Bundesakademie Wolfenbüttel, 18.03.2023.
- Waburg, Wiebke; Kranixfeld, Micha; Sterzenbach, Barabra; Westphal, Kristin; Sauer, Ilona (2022): Zur Rolle der Forschenden in künstlerischen Residenzen. Vortrag im Rahmen der 3. Vernetzungstagung der Förderrichtlinie Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen. 7.-9. September 2022, digital.
- Westphal, Kristin; Kranixfeld, Micha (2022): Landschaft als Mitspielerin? Ortsbezogene Performance in ländlichen Räumen. Vortrag im Rahmen des Symposiums "Orte und Landschaften des kollaborativen Lernens. Pädagogisch-anthropologische Explorationen zu Grenzerfahrungen und -praktiken im Anthropozän" während des DGfE-Kongresses 2022. 14.03.2022, digital.
- Waburg, Wiebke; Sterzenbach, Barbara; Kranixfeld, Micha (2021): Defining New Goals for Artistic Residencies in Rural Areas. Workshop conducted at the European Online Conference "Art and Culture make a Difference. On the Role of Arts and Cultural Education in Rural Areas". Stiftung Genshagen. 19th November 2021, digital.
- Waburg, Wiebke; Kranixfeld, Micha; Sterzenbach, Barbara (2021): Erste Ergebnisse aus dem Projekt "Der Dritte Ort. Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen". Präsentation auf der 2. Vernetzungstagung der Förderrichtlinie Kulturelle Bildung in ländlichen Räumen. 8.-10. September 2021, digital.
- Sterzenbach, Barbara; Waburg, Wiebke; Kranixfeld, Micha (2021): Digitale Spuren künstlerischer Residenzen in ländlichen Räumen. Posterpräsentation auf der 11. Tagung des ›Netzwerks Forschung Kulturelle Bildung‹ und Frühjahrstagung der ›Sektion Medienpädagogik‹ der DGfE. 18.-20. März 2021, digital.
- Kranixfeld, Micha; Waburg, Wiebke; Sterzenbach, Barbara (2021): Un/Doing Difference in künstlerischen Residenz-Projekten in ländlichen Räumen. Posterpräsentation auf der BMBF-Bildungsforschungstagung 2021 – Bildungswelten der Zukunft. 10. März 2021, digital.
- Waburg, Wiebke; Kranixfeld, Micha; Sterzenbach, Barbara; Westphal, Kristin; Sauer, Ilona (2020): Das Projekt "Der dritte Ort? Künstlerische Residenzen in ländlichen Räumen (DO_KiL)". Präsentation auf der Online-Vernetzungstagung ‚KuBiLand‘. 9. September 2020. Online: https://www.uni-leipzig.de/projekt-metaklub/die-projekte-der-foerderrichtlinie/do-kil/ (07.12.2020).
Blogbeiträge
- Kranixfeld, Micha (2020): Neue Hotspots für kulturelle Bildung. Residenzprogramme in ländlichen Räumen zwischen Kunst, Bildung und Gemeinwesenarbeit – ein Bericht aus der Universität Koblenz-Landau. [Blogbeitrag vom 02.09.2020] Online: https://www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/neue-hotspots-fuer-kulturelle-bildung-2020-09-02/ (07.12.2020).
- Sterzenbach, Barbara (2020): Vom Finden und Verfolgen der Ideen. [Blogbeitrag vom 02.12.2020]. Online: https://www.uni-leipzig.de/projekt-metaklub/blogdetail/artikel/vom-finden-und-verfolgen-der-ideen-2020-12-02/ (07.12.2020).