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Wie bereits vielfach in Presse und Fernsehen berichtet, melden sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen zu Wort, die als Kind von den 1950er bis in die 1990er Jahre hinein in Kurheime oder Sanatorien verschickt wurden. Über die Jahrzehnte hinweg waren es Millionen, die dort „aufgepäppelt“ oder gesundheitlich behandelt werden sollten. Die oft noch sehr kleinen Kinder wurden damals nicht von ihren Eltern oder Sorgeberechtigten begleitet. Sie waren – meist für mehrere Wochen – allein in einer fremden Umgebung mit sehr speziellen, von medizinischen Vorgaben geprägten Regeln. Rückblickend war dieser Aufenthalt für die einen eher unauffällig bzw. weniger bemerkenswert; andere jedoch erinnern sich an rigide pädagogische Maßnahmen, psychische Demütigungen, körperliche Gewalt, Medikamentenmissbrauch oder sexuelle Übergriffe. Da es auch in Rheinland-Pfalz etwa 80 solcher Einrichtungen der Kinderkur gab, greifen wir den Bedarf an gesellschaftlicher wie persönlicher Aufarbeitung in zwei Projekten auf - dies ist eines davon...
Dieses Projekt adressiert den vielfach geäußerten Orientierungsbedarf jener ehemals Verschickten, deren oft nur bruchstückhafte Erinnerungen an diese Zeit im Sinne von „nagenden Fragen“ im Erwachsenenalter virulent werden. Zusammen mit einer Gruppe von Studierenden recherchierten wir zunächst, wie insbesondere Menschen mit problematischen oder traumatischen Erlebnissen der Verschickung damit umgegangen sind. Auf dieser Basis wurden dann Materialien für eine „praktische Handreichung“ zusammengestellt, die die unterschiedlichen Wege der Auseinandersetzung illustriert. Dabei zeichnen sich viele Varianten ab: u.a. der Austausch mit anderen Betroffenen, Archiv-Recherchen zum eigenen Ort der Verschickung, ein Besuch der Einrichtung heute, das Engagement in Initiativen, die Nutzung therapeutischer Hilfen, literarische bzw. künstlerische Formate der Aufarbeitung oder auch Impulse aus Lektüren zum Thema. In der - hier online verfügabren - „Handreichung“ werden die verschiedenen Strategien kurz vorgestellt, versehen mit Kommentaren von ehemaligen Verschickungskindern, wie sie den eingeschlagenen Weg der Auseinandersetzung jeweils einschätzen, und ergänzt um weiterführende Links und Tipps zur möglichen Vertiefung bei Interesse:
Hier gelangen Sie zur "Handreichung" zu möglichen Wegen des Umgangs mit Verschickungserfahrungen.
Im Rahmen des 37. Rheinland-Pfalz-Tages präsentierte das Institut für Pädagogik am 16.06.2023 die Thematik in Bad Ems: Unter dem Titel Verschickt, verdrängt, vergessen!? Projekte zum Thema „Verschickungskinder“ informierten Dr. Hannah Rosenberg sowie die Studierenden Anna Chiara Berdicchia und Laura Kirschner über die gewonnen Erkenntnisse und kamen mit Interessierten, Betroffenen bzw. deren Angehörigen ins Gespräch:
Publikationen
Hoffmann, N./Rosenberg, H.: Suchbewegungen der Selbstvergewisserung und der Anerkennung: Dimensionen von Bildung und Lernen im Kontext gesellschaftlicher Partizipation am Beispiel der sog. „Verschickungskinder". Vortrag auf der Tagung der Sektion Erwachsenenbildung der DGfE in Essen am 27.09.2024.
Rosenberg, H.: Das Thema Kinderkur-Verschickung im Kontext der Ausbildung für Pflege- und Gesundheitsberufe. Vortrag an der Frankfurt University of Applied Sciences am 28.06.2024.
Hoffmann, N./Rosenberg, H. und Studierende: Verschickt, verdrängt, vergessen?! - Ein Informationsabend zur Kinderkurverschickung des Landeshauptarchivs in Koblenz am 11. Juni 2024.
Rosenberg. H./Hoffmann, N.: „Nagende Fragen“ – Mögliche Wege der gezielten Auseinandersetzung mit Verschickungserfahrungen. Beitrag im Rahmen des LEO-Themenmoduls "Heimkindheiten". 2024. online unter: https://www.leo-bw.de/en-GB/web/guest/heimkindheiten/aufarbeitung/nagende-fragen-moegliche-wege-der-auseinandersetzung-mit-verschickungserfahrungen
Hoffmann N.: „Verschickungskinder“ als aktuelles Thema der Erwachsenenbildung: Späte Aufarbeitung des Schicksals von Millionen von Kindern. Beitrag in: forum erwachsenenbildung, 57(1). 2024. S. 40-42.
Hoffmann, N.: Aus den Projekten zur Kinderkur-Verschickung der Uni Koblenz. Vortrag im Rahmen eines Online-Treffens der Heimortgruppe Bad Kreuznach/Bad Münster am Stein am 11.04.2024.
„Nagende Fragen“? Eine Handreichung zu Wegen des Umgangs mit Kindheitserlebnissen im Rahmen einer Kur-Verschickung. Herausgegeben von Nicole Hoffmann und Hannah Rosenberg. Online: 1. Auflage März 2024 (2. Auflage: siehe Link oben auf dieser Seite).
Posterpräsentation auf der Fachtagung am 10.01.2024 an der Touro University in Berlin zum Thema „Erinnerungskultur: Aus der Vergangenheit in die Zukunft“.
Hoffmann, N.: Zugang zur fremden Welt der Archivalien. Beitrag in: Unsere Archive. Mitteilungen aus den rheinland-pfälzischen und saarländischen Archiven. Heft 68/2023, S.64-65.
Posterpräsentation im Rahmen des 37. Rheinland-Pfalz-Tages in Bad Ems am 16.06.2023: Poster siehe oben.
Auch in dem folgenden Vortrag wird eine Verbindung zur Verschickungsthematik hergestellt: Hoffmann, N.: Erinnern und Gedächtnis. Ein Video. Portal des Zentrums für pädagogische Berufsgruppen- und Organisationsforschung der FernUniversität in Hagen. 2023. Online: https://www.fernuni-hagen.de/zebo/lehrvideos/erinnernundgedaechtnis.shtml und auf YouTube https://www.youtube.com/watch?v=zri2z4UzNFE&list=PL0SJnZaDe3s9KLX5cjgv7uO6REZX7SaUr&index=2
Abschlussarbeiten
Über den Umgang mit einer traumatischen Kindheitserfahrung. Eine Fallstudie am Beispiel "Kinderkur-Verschickung" (B.A. Pädagogik, F. Gleichmann - aus Datenschutzgründen nicht öffentlich zugänglich)