Das Studienangebot "Natur&Kultur" wird im Rahmen des Zwei-Fach-Bachelor der Universität Koblenz angeboten. Es soll seine AbsolventInnen befähigen, komplexe technische Vorgänge sowohl naturwissenschaftlich als auch ethisch und kultur-reflexiv zu bewerten. Gerade in einer immer komplexeren Welt muss neben der Frage nach der Machbarkeit auch die Frage nach der Nachhaltigkeit sowie der Moral stehen. Wir halten diese Kombination für besonders zukunftsweisend, da immer häufiger sowohl Fragen aus den Naturwissenschaften (science) als auch den Geisteswissenschaften (humanities) gleichzeitig und gleichwertig beantwortet werden müssen, z. B. nach Kernenergie und Klimaveränderung, nach den Auswirkungen globaler Technologien aus menschenrechtlicher Perspektive und vor dem Hintergrund kultureller Differenzen. Immer geht es um die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen unseren kulturell-normativen Selbstauslegungen und unserer wachsenden Beherrschung der natürlichen Welt.
Dass wir nicht alles machen sollten, was wir machen können, ist mittlerweile ein Gemeinplatz. Aber wie genau wirken sich Wertvorstellungen auf technische Möglichkeiten aus und wie formen umgekehrt - man denke nur an die moderne Intensivmedizin - solche Möglichkeiten Wertvorstellungen um? Welche normativen Maßstäbe gibt es, um entsprechende Entwicklungen beurteilen zu können? Welche Rolle spielen Religionen, Weltanschauungen und kulturelle Eigenheiten? Das Studium vermittelt die Kompetenzen, die nötig sind, um beide Seiten der Medaille eigenständig beurteilen und darüber in der Öffentlichkeit kommunizieren zu können.
Die Leitidee
Auf Seiten der Philosophie stellt sich die Integration in das transdisziplinär angelegte Institut für Kulturwissenschaft als großer Vorteil dar. Auf der einen Seite bietet der Lehramtsstudiengang Ethik, der nach erfolgter Akkreditierung nun auf dem gymnasialen Niveau auch als Philosophie/Ethik angeboten wird, eine generalistische Ausbildung in Grundfragen der praktischen Philosophie unter Einschluss erkenntnistheoretischer und logisch-argumentativer Grundlagen, auf der anderen Seite ist die Kulturwissenschaft auf die Vermittlung interkultureller Kompetenzen und eines reflexiven Umgangs mit den kulturellen und sozialen Kontexten der Wissenschaften ausgerichtet.
Der Anspruch der Kulturwissenschaft besteht gerade auch darin, die strikte Trennung der Zuständigkeitsbereiche von Geistes- und Naturwissenschaft aufzuheben und eine Orientierung bzw. Reflexion des „Ganzen“ der Kultur bieten zu können, einschließlich der Sphären von Ökonomie, Technik und Naturwissenschaft.
Gleichzeitig macht der Erwerb solider naturwissenschaftlicher Grundkenntnisse PhilosophInnen und KulturwissenschaftlerInnen nicht nur anschlussfähiger an die Arbeitsmärkte, sondern kann auch erheblich dazu beitragen, die Unkultur der „zwei Welten“ (C.P. Snow) zu überwinden und integrative Denkansätze zu fördern.
Das Institut für Integrierte Naturwissenschaften mit seiner Abteilung Physik ist bisher vorwiegend in der Lehramtsausbildung tätig. An dieser Gruppe richtet sich das Lehrangebot der Abteilung aus und folgt daher den Curricularen Standards für das Fach Physik. Diese schreiben für den fachwissenschaftlichen Teil eine umfassende Grundlagenausbildung vor, die in der Tiefe, aber nicht in der Breite, angepasst wurde. Sie bildet also physikalische und damit naturwissenschaftliche Generalisten aus und keine Spezialisten auf einem kleinen Forschungsgebiet. Genau hier liegt die Stärke unseres Lehrangebotes. In etwa 50 SWS können wir Studierende mit einem breiten und ausbaufähigem Grundwissen in Physik und damit den Naturwissenschaften allgemein versorgen – viel schneller als andere, insbesondere als rein fachwissenschaftliche Physik-Studiengänge.
Dieser Freiraum ermöglicht es uns den Studierenden weitere Kenntnisse zu vermitteln, die in keinem Physikstudium sonst Platz finden. Dies sind die kulturellen und im engeren Sinne moralischen Fragen in Zusammenhang mit der naturwissenschaftlichen Weltsicht.
Studieninhalt
Das Studienangebot "Natur&Kultur" ist auf eine Regelstudienzeit von 6 Semestern ausgelegt und setzt sich aus dem Basisfach "Philosophie" und dem Basisfach "Experimentelle und Theoretische Physik" mit integriertem Wahlfach "Physik in der Praxis" zusammen. Für die weiteren Module des Profilbereiches gibt es eine Empfehlung für sinnvolle Wahlmöglichkeiten. Beispielsweise sollte dieses Fachangebot in jedem Fall durch Kurse in Scientific English sowie Präsentation und Kommunikation ergänzt werden.
Dadurch vermittelt das Studienangebot "Natur&Kultur" ein breites grundlegendes naturwissenschaftliches Wissen und eine grundlegende Ausbildung in der Philosophie und Kulturwissenschaft.
In der Physik sind dies insbesondere:
Mathematik
Mechanik und Thermodynamik
Elektrodynamik und Optik
Atom- und Molekülphysik
Festkörperphysik
Kern- und Elementarteilchenphysik
Grundzüge der Theoretischen Physik (u.a. Quantenmechanik, Statistische Physik)
Elemente der Angewandten und Technischen Physik
In der Philosophie und der Kulturwissenschaft insbesondere:
Grundlagen und Grundfragen der Ethik
Philosophische Anthropologie
Natur und Kultur in lebensweltlichen Zusammenhängen
Begriff und Methode der Kulturwissenschaft
Wissenschaftstheorie der Natur- und Kulturwissenschaft
Wissenskulturen
Kultur und Religion
Recht, Moral und Politik
Im Profilbereich beispielsweise:
Studienbezogene Schlüsselkompetenzen - Studieren mit Profil 6 LP
Praxismodul 5 LP
Optionalbereich - Fachbezogenes Modul A02 9 LP
Optionalbereich - Praxisbezogenes Modul 5 6 LP
Studium Generale 8 LP
Die Module bieten verschiedene Lehrformen an, die klassischen Vorlesungen werden von Übungen und Praktika begleitet. Seminare und Kolloquien erweitern den Blick auf andere Ansätze und Sichtweisen. Abgeschlossen wird das Studium durch eine Bachelorarbeit mit anschließender mündlicher Aussprache. Durch die Entscheidung für das Thema der Bachelorarbeit legen Sie den Abschluss fest, B.A. oder B.Sc. In dieser Abschlussphase wird neben dem wissenschaftlichen Arbeiten auch besonderer Wert auf die Präsentation der Ergebnisse gelegt. Diese Phase erlaubt es weiterhin den Studierenden, sich zu orientieren - Direkteinstieg ins Erwerbsleben oder Masterstudiengang am Fachbereich 2 oder anderswo.
Berufsfeldorientierung
Als AbsolventInn sind Sie ein/e universell einsetzbare/r MitarbeiterIn für die vielfältigen Aufgaben in Industrie und Verwaltung. Als solche haben sie viele Vorteile gegenüber Absolventen mit dem Abschluss eines reinen Fachstudiums der Physik oder einer Geisteswissenschaft, da sie gewohnt sind, Probleme aus zwei integrierten Perspektiven zu betrachten - eine Fähigkeit, die gerade bei Großprojekten und Technologien, die Ängste in der Bevölkerung wecken, zunehmend gefragt sein wird.
Gleichzeitig bietet dieser Studiengang auch die ideale Ausgangsposition für einen anschließenden Masterstudiengang am Campus Koblenz. Aufgrund des breiten physikalischen Basiswissens fällt die Anpassung an Herausforderungen im Masterstudium und Berufsleben leicht.
Der Bedarf an NaturwissenschaftlerInnen in allen Bereichen der Gesellschaft ist nach wie vor groß.
… weil die Wahrnehmung von und der Umgang mit „Natur“ immer schon Bestandteil von „Kultur“ ist
... weil man in unserer ständig komplexer werdenden Welt nicht mehr die Frage nach dem „kann man oder kann man nicht“ über die des „soll man oder soll man nicht“ stellen darf.
… weil diese doppelte Kompetenz für vielfältige Aufgaben im Bereich Verwaltung, Risikobewertung und Technikfolgenabschätzung besonders befähigt.
… weil der Dualismus von Natur und Kultur überholt ist und dringend Nachwuchskräfte gebraucht werden, die beide Perspektiven integrieren können, statt sie bloß nachträglich aufeinander zu beziehen.
... weil die am Arbeitsmarkt zu beobachtende Tendenz, dass geeignete Geistes- und KulturwissenschaftlerInnen aufgrund ihrer Reflexionskompetenz nachträglich auch in Industrie und Wirtschaft tätig werden, damit vom Kopf auf die Füße gestellt wird.
... weil die Beschäftigung mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen von Technik und Weltbild für GeisteswissenschaftlerInnen so wichtig ist wie normative und kulturell-reflexive Kompetenzen für PhysikerInnen.