Rassismus, Rechtspopulismus und Geschlecht sowie Diversity in der Forschung an der Universität Koblenz

Prof. Dr. Ina Kerner forscht und lehrt an der Universität Koblenz. Bild: Wanezza Soares
Prof. Dr. Ina Kerner forscht und lehrt an der Universität Koblenz. Bild: Wanezza Soares
Prof. Dr. Ina Kerner, Professorin für Dynamiken der Globalisierung an der Universität Koblenz, hat der brasilianischen Literaturzeitschrift „Quatro cinco um“ nach ihrem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in Brasilien ein Interview gegeben, das gerade online und in der aktuellen Printausgabe erschienen ist. Im Fokus steht die auch für Deutschland aktuelle Bedeutung ihrer Forschung im Bereich der Rassismustheorie, der Zusammenhänge von Rechtspopulismus und Geschlecht sowie das aktuelle Ende von Diversity-Maßnahmen in Firmen wie Meta.

Kerner plädiert für kritische Analysen von Rassismus und der Verwendung des Begriffs „Rassismus“ zur Bezeichnung solcher Forschung. Denn zum einen brauche Rassismus nicht unbedingt „rassisch“ kodierte Unterscheidungen; er funktioniere auch mit anderen Formen der Unterscheidung, etwa ethnischen oder religiösen. Zweitens sei „Rasse“ keine neutrale Kategorie. Zumindest in den europäischen Wissenschaften seit dem 18. Jahrhundert gingen Rassentheorien, „rassische“ Kategorisierungen und Klassifizierungssysteme immer mit einer Hierarchisierung der unterschiedenen Gruppen von Menschen einher. Die Kategorie „Rasse“ habe also einen eindeutig rassistischen Hintergrund bzw. eine rassistische Geschichte. Manchmal seien diese Kategorien dennoch notwendig, zum Beispiel im Zusammenhang von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsmaßnahmen. Da der Begriff „Rassismus“ normativ sei und problematisiere, worauf er sich bezieht, werde ihm mitunter der Status der Wissenschaftlichkeit abgesprochen, was Kerner für nicht sinnvoll hält. Sozialwissenschaftliche Forschung sei selten wertneutral und sollte daher auch nicht so tun als ob.

Kerner interessiert sich außerdem für die politischen Aspekte von Religion und Geschlecht. Dazu gehören Aspekte wie der Umstand, dass der Katholizismus das Priesteramt immer noch Männern vorbehält. Oder auch, wie sich rechte politische Bewegungen und Parteien mit rechtsgerichteten und fundamentalistischen religiösen Bewegungen verbinden. Dies sei in Brasilien, aber auch in vielen anderen Ländern Nord-, Mittel- und Südamerikas, Europas und insgesamt der Welt der Fall. Ferner seien auf diesem inhaltlichen Terrain internationale Vernetzungen zu beobachten.

Kerners Beitrag in der brasilianischen Literaturzeitschrift „Quatro cinco um“. Bild: privat

Rechtsgerichtete politische Akteure seien meist nationalistisch, weshalb eine solche Vernetzung zunächst nicht naheliege. Säkulare und religiöse rechtsgerichtete Kräfte scheinen sich aber problemlos auf Antifeminismus und die Förderung eines traditionellen, heteronormativen Geschlechterregimes einigen zu können. Als wichtige Vernetzungsgelegenheit fungiere hier zum Beispiel der regelmäßig stattfindende „World Congress of Families“.

Diversity-Maßnahmen im Fokus

Mark Zuckerberg hat verkündet, dass Meta seine Richtlinien für hasserfüllte Inhalte ändern wird. Das Unternehmen teilte mit, dass es eine Reihe von Beschränkungen zu Themen wie Einwanderung, Geschlechtsidentität und Geschlecht, die Gegenstand häufiger politischer Diskussionen und Debatten sind, aufhebe.

Kerner hält diese Änderung für gefährlich und daher für falsch, denn sie erleichtere vorsätzliche Fehlinformationen - und dies sei nicht der Sinn und Zweck der Meinungsfreiheit. In der EU gibt es den „Digital Services Act“, der gefährdendes Material, zum Beispiel für Kinder oder für die Demokratie, verbietet. In Europa müsse Meta also möglicherweise weiterhin Fakten prüfen - oder auf andere Weise dafür sorgen, dass gefährdendes Material nicht auf seiner Plattform erscheint. Dennoch gäbe es Grund zur Sorge, zumal es Meta nicht dabei belässt, den Faktencheck abzuschaffen. Nur wenige Tage nach der Ankündigung von Zuckerberg verlautbarte Meta, sein Diversity-Programm einzustellen; mehrere andere Unternehmen wie Walmart oder Ford haben das bereits getan. Solche Programme waren von Anbeginn linker Kritik ausgesetzt. Dabei wurde unter anderem moniert, dass Unternehmen nur deshalb für Diversität einträten, weil sich ein solches Engagement auszahle, etwa weil sich ein Firmenimage der Vielfalt gut verkaufe – und nicht auf Grundlage eines aufrichtigen Engagements für mehr Gerechtigkeit und nachhaltigen Wandel. Die jüngsten Ereignisse scheinen nach Kerners Analyse diese Kritik zu bestätigen.

Hier geht es zum Originalbeitrag in der „Quatro cinco um“:
https://quatrocincoum.com.br/entrevistas/laut/o-alvo-comum-da-extrema-direita/

Datum der Veröffentlichung
Fachliche AnsprechpartnerinProf. Dr. Ina Kerner
Universität Koblenz Universitätsstraße 1 56070 Koblenz
PressekontaktDr. Birgit Förg
Universität Koblenz Universitätsstraße 1 56070 Koblenz
birgitfoerg@uni-koblenz.de0261 2871766