Neue Professorin für Allgemeine Sonderpädagogik an der Universität Koblenz
Auf diesem Gebiet fragt sie nach dem Allgemeinen und dem Besonderen. Lange Zeit galt Behinderung in der Pädagogik sowie in der Gesellschaft insgesamt als etwas Besonderes. „Behinderung ist jedoch im Allgemeinen ein gesellschaftlich bedeutsames Thema. Das Besondere der Sonderpädagogik ist, dass uns kein Mensch ‚zu besonders‘ ist. Wir lassen niemanden zurück – weder im Schulsystem noch im Leben. Dafür stehen wir als Zunft, in unseren vielzähligen behinderungsbezogenen Professionen und als wissenschaftliche Disziplin,“ betont Boger.
Im Sinne einer inklusiven Bewegung findet sie Forschungsthemen, indem sie nach dem Exkludierten fragt: Wer oder was wird im Diskurs marginalisiert, übersehen oder vergessen? Damit gehe oft einher, Dinge zu thematisieren, von denen man sich wünschen würde, dass sie nicht (wieder) aktuell wären.
So wird die erste Ringvorlesung, die Boger anbietet, den Reihentitel „Behinderung in Zeiten von Krieg und Frieden“ tragen. Dort wird auch der gewalt- und traumatheoretische Schwerpunkt, der alle Mitarbeiter*innen des Arbeitsbereichs verbindet, zum Tragen kommen. Behinderungen sollen aus kulturtheoretischer Perspektive betrachtet werden. Im Kontext Krieg bzw. bewaffnete Konflikte bestehe eine eigene Begriffsreihe, die parallel zum zivilen Vokabular für Behinderung laufe: „invalide“, „(kriegs-)versehrt“, „einsatzgeschädigt“ etc. Dieses Auseinanderfallen der Diskurse diene der Kollektivverdrängung und habe selbst – im traumatheoretischen Sinne – dissoziative Züge. Dies ließe sich kulturtheoretisch analysieren und auch praktisch bearbeiten, erklärt Boger.
Um allen Kindern und Jugendlichen gute Bildung zu ermöglichen, betont Boger mit Blick auf Behinderung eine qualitativ hochwertige inklusionsorientierte Lehrerbildung.
Gleichzeitig haben junge Menschen oft Fragen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen – und eben diese Fragen seien essenziell, wenn es darum gehe, am Ende des Studiums weltoffene, gesellschaftskritische und in ethischen Fragen reflektierte Anwärter*innen in den Vorbereitungsdienst zu entlassen. Das Studium bietet einen Freiraum vor den Handlungszwängen der Praxis, um sich mit diesen existentiellen Fragen zu befassen: Was bedeutet es konkret, unsere Demokratie zu schützen und zu pflegen, Demokratiebildung zu leben? Wie lässt sich eine weniger ableistische und inklusivere Gesellschaft denken? Oder eben: Was bedeutet Frieden?
„Es gibt dieses Vorurteil, dass Sonderpädagogik ein Fach sei, in dem man ‚nur spielt und bastelt‘. In Wahrheit aber ist Sonderpädagogik ein Fach für Furchtlose,“ erläutert Boger.
Die Pädagogin freut sich auf die anstehenden konzeptionellen und konstruktiven Arbeiten im neu gegründeten Institut für Förderpädagogik und insbesondere darauf, hier bald die vier weiteren Professor*innen der Förderschwerpunkte begrüßen zu dürfen. Durch die Einrichtung des Instituts für Förderpädagogik wird das Spektrum an Lehrämtern komplettiert: Mit dieser letzten Ergänzung werden den Studieninteressierten und Studierenden nun alle Schulformen an der Universität Koblenz angeboten.
Zur Person
2012 begann sie – nach ihrem Studium der Pädagogik in Mainz - an der Universität Bielefeld zu arbeiten und promovierte dort mit ihrem Entwurf der ‘Theorie der trilemmatischen Inklusion’. Nach Vertretung der W3-Professuren ‚Lernen in der inklusiven Schule‘ an der Universität Paderborn und ‘Schulentwicklung, Lernbegleitung und sonderpädagogische Professionalität im Kontext von Inklusion’ an der Universität Leipzig war sie zuletzt an der Universität Regensburg tätig.
In ihrer Freizeit spielt sie gerne Schach, Klavier und mit Lego.