Neue Klara Marie Faßbinder-Professorin an der Universität Koblenz
Im Rahmen dieser Professur plant Bath unter anderem, die Lehrveranstaltung „KI und intersektionale Geschlechterforschung. Diskriminierungen entgegenwirken“, angesiedelt in der Informatik und offen für alle Interessierten, anzubieten. Darüber hinaus wird sie einen Workshop zur Interdisziplinarität durchführen. Vorträge an den Hochschulen Mainz und Bingen werden auch online zugänglich sein.
Ihre Antrittsvorlesung wird Bath am 15. November 2023 von 12 bis 14 Uhr in Raum E 011 an der Universität Koblenz zum Thema „Wissenskämpfe – umstrittene Epistemologie: Mit Geschlechterforschung für eine antwortend-verantwortliche Objektivitätskultur“ halten:
Was als wissenschaftliches Wissen gilt, welche Kriterien an seine Herstellung angelegt werden und insbesondere auch das Objektivitätsverständnis, das in den Natur-, Technik- und empirischen Wissenschaften dominiert, wird gegenwärtig aus verschiedenen Richtungen herausgefordert. Deutlich wird etwa im Zuge zunehmender Internationalisierung, dass das westlich-rationale Verständnis von Welt zwar universelle Geltung beansprucht, aber nur eine Perspektive unter vielen darstellt, die in der Regel die der Privilegierten repräsentiert und deren Macht erhält. Die Corona-Pandemie, aber auch der Klimawandel haben gezeigt, dass ein verantwortungsvolles Handeln oft ohne ein ausreichendes Wissen notwendig ist. Sie verweisen auf Unverfügbares in unseren Wissenssystemen, das wir nicht berechnen, vorhersagen oder wahrscheinlichkeitstheoretisch bestimmen können. Nicht zuletzt nutzen rechtspopulistische und rechtextreme Akteur*innen solche Unsicherheiten und Vieldeutigkeiten, um die Wissenschaft angreifen und Fake News zu verbreiten. Sie versuchen dabei speziell, traditionelle Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität und Familie gegenüber vielfältig-queeren Lebensweisen zu verteidigen.
Im Vortrag wird Bath argumentieren, warum weder ein erkenntnistheoretischer Relativismus noch die oft angewendete Strategie, Objektivität beispielsweise durch Faktenfinder zu re-etablieren, ausreichen, um demokratische Prozesse zu erhalten. Dazu greift Bath auf etablierte Werkzeuge feministischer Epistemologie zurück, zum Beispiel Standpunkttheorien oder Ansätze, die die Subjekte der Forscher*innen, ihre Situierung, Machtverhältnisse und Verantwortung als Teil der Produktion von Wissen verstehen. Anhand eigener Forschungsprojekte - einer exemplarischen Untersuchung öffentlicher Berichterstattung über die Corona-Pandemie und einer laufenden empirischen Studie zu medizinisch-diagnostischen Apps - möchte Bath der Frage nachgehen, wie Objektivität gegenwärtig hergestellt wird. Zudem wird sie diskutieren, wie mit Geschlechterforschung eine antwortend-verantwortliche Objektivitätskultur entwickelt werden kann.
Die Veranstaltung bietet die Möglichkeit einer hybriden Teilnahme. Interessierte können sich den zugehörigen Link von der Gleichstellungsbeauftragten der Universität, Dr. Tanja Gnosa, zusenden lassen: tgnosa@uni-koblenz.de.
Zur Person
Dr. Corinna Bath promovierte im Fach Informatik, sie war 2012 bis 2022 Maria-Goeppert-Mayer-Professorin für Gender, Technik und Mobilität im Maschinenbau an der Technischen Universität Braunschweig und an der Ostfalia Hochschule für Angewandte Wissenschaften. 2017 bis 2021 leitete sie das Niedersächsische Promotionsprogramm “Konfigurationen von Mensch, Maschine und Geschlecht” mit 18 Promovierenden aus den Natur-, Technik-, Sozial-, Geistes- und Medienwissenschaften an den drei Hochschulen im Braunschweiger Raum. Nach ihrem Studium der Informatik war sie unter anderem wissenschaftliche Mitarbeiterin an deutschen und österreichischen Universitäten und Postdoktorandin im Graduiertenkolleg “Geschlecht als Wissenskategorie” an der Humboldt-Universität zu Berlin. Als Gastprofessorin war Bath 2011/12 an der Technischen Universität Berlin, 2016 an der Technischen Universität Graz sowie 2022/23 an der Universität Augsburg tätig.
Ihr Forschungsschwerpunkt liegt an der Schnittstelle von Ingenieurwissenschaften und Gender Studies: Wie können Vergeschlechtlichungen von technischen Produkten und Modellen - Stereotype, Biases, Diskriminierungen, soziale oder epistemologische Ausschlüsse - erkannt und verhindert werden? Welche Rolle spielen dabei (versteckte) Annahmen, Epistemologien und Wissenspolitiken? Als ausgebildete Ingenieurin zielt sie in ihren Arbeiten darauf, Geschlechteranalysen in Methoden technischer Gestaltung zu transferieren. 2022 erhielt sie die Ehrendoktorwürde von der Technischen Universität Graz für ihre besonderen Leistungen, Geschlechterforschung in technische Wissenschaften zu integrieren.
Zur Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur
Die interdisziplinäre und internationale Klara Marie Faßbinder-Gastprofessur für Frauen- und Geschlechterforschung Rheinland-Pfalz wird semesterweise besetzt und rotiert zwischen den rheinland-pfälzischen Hochschulen. Ziel der Gastprofessur ist es, das Renommee dieses Forschungsbereiches zu stärken, Impulse für die Frauen- und Genderforschung zu setzen sowie das Lehrangebot zu erweitern und das Netzwerken zwischen Wissenschaft und Studierenden zu ermöglichen. Gefördert wird sie vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit (MWG).