Die katalytische Oxidation von Kohlenstoffmonoxid auf der Iridium(111)-Oberfläche wurde experimentell unter Ultrahochvakuum-Bedingungen (UHV) untersucht. Zum Nachweis der gasförmigen Reaktionsprodukte diente Massenspektroskopie. Die auf der Oberfläche adsorbierten Spezies wurden mit Photoelektronen-Emissions-Mikroskopie (PEEM) sichtbar gemacht. Das zugrunde liegende Reaktions-Diffusions-System - basierend auf dem Langmuir-Hinshelwood-Mechanismus - wurde numerisch analysiert.
Die Bistabilität dieser Oberflächenreaktion wurde experimentell nachgewiesen. Zum ersten Mal wurden die Auswirkungen von Rauschen auf eine bistabile Oberflächenreaktion untersucht. Die Auswirkungen auf Produktbildung und die Musterbildung der Adsorbate auf der Oberfläche wurden experimentell erforscht.
Die stationären CO2-Raten wurden unter konstantem Gasgesamtfluss der CO + O Mischung als Funktion der Kristalltemperatur (360 K < T < 700 K) und der Gaszusammensetzung gemessen. Die Gaszusammensetzung wird durch den molaren Anteil von CO (0 < Y < 1) im Gasstrom der Reaktanden charakterisiert. Die Reaktion zeigt in einem begrenzten Bereich von Y und T Bistabilität. Eine Hysterese mit zwei stationären Raten wurde beobachtet, wenn Y zuerst erhöht und anschließend vermindert wurde. Ein Ast der Hysterese zeigt eine hohe Reaktivität („upper rate“ (UR), obere Rate), die Oberfläche ist überwiegend mit Sauerstoff bedeckt, der andere Ast zeigt eine niedrige Reaktivität („lower rate“ (LR), untere Rate), die Oberfläche ist überwiegend mit CO bedeckt. Die Lage der Hysterese verschiebt sich mit steigender Temperatur zu höherem Y, gleichzeitig schrumpft die Breite der Hysterese. Für kleinen CO-Gehalt im Gasstrom ist die CO2-Rate proportional zu Y3/2.
Bei einer Temperatur von 500 K wurden Experimente mit äußerst langsamer Veränderung der Gaszusammensetzung durchgeführt (jeweils ungefähr 100 Stunden für die Aufwärts- und Abwärtsrichtung). Diese zeigten, dass die Bistabilität nach wie vor existiert und nicht nur langsame Übergänge („transients“) beobachtet wurden. Die Geschwindigkeit mit der ein Experiment durchgeführt werden kann, ohne experimentelle Artefakte zu erzeugen, wurde untersucht. Da eine zu schnelle Veränderung der Gaszusammensetzung die gemessene Hysterese verändert, wurde eine maximale Geschwindigkeit für Y-Zyklen bestimmt.
Die Zusammensetzung des Gasstromes der Reaktanden konnte durch den Einsatz von Gasflussreglern präzise manipuliert werden. Der experimentelle Aufbau erlaubte alle wichtigen Reaktionsparameter und Umgebungsbedingungen über lange Zeit (bis zu Wochen) konstant und das intrinsische Rauschen klein zu halten. Erst dies eröffnete die Möglichkeit den Einfluss von Rauschen auf ein bistabiles Reaktions-Diffusions-System gezielt experimentell zu untersuchen.
Der Einfluss von Rauschen auf die Reaktionsraten und die Musterbildung („spatio-temporal patterns“) auf der Oberfläche wurde erforscht, indem Gauß’sches weißes Rauschen Y sowie T überlagert wurde. Verrauschtes Y (Standardabweichung DeltaY) stellt multiplikatives und additives Rauschen dar, verrauschtes T (Standardabweichung DeltaT) hingegen nur multiplikatives Rauschen.
Verrauschtes T beeinflusst die Reaktion über den ratenbestimmenden Schritt, die beobachtete CO2 Rate wird verrauscht. Bei niedrigen Temperaturen (um 420 K), wenn die Oberfläche überwiegend mit Sauerstoff bedeckt ist, ist der CO + O-Reaktionsschritt ratenbestimmend. Bei höheren Temperaturen (um 500 K), wenn die Oberfläche überwiegend mit CO bedeckt ist, ist der CO Desorptionsschritt ratenbestimmend.
Die Auswirkungen von verrauschtem Y wurden für eine Probentemperatur von 500 K untersucht. Diese hängen von der ausgewählten mittleren Gaszusammensetzung ab. In Bereichen mit nur einer stationären CO2-Rate (außerhalb der Hysterese) sind die gemessenen Raten verrauscht. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Raten ist gaußförmig für die obere Rate (unterhalb der Hysterese) und asymmetrisch für die untere Rate (oberhalb der Hysterese). Für große Rauschstärken wurden Ausbrüche in der Rate („bursts“) beobachtet – ein kurzzeitiges Ansteigen der CO2-Rate auf oder über das Niveau der oberen Rate.
Innerhalb der Hysterese erzeugte kleines Rauschen verrauschte obere bzw. untere Raten, aber ab einem von Y abhängigen Wert für DeltaY wurden in der CO2-Rate Übergänge vom lokal stabilen zum global stabilen Ast gemessen. Diese Übergänge dauerten bis zu mehreren Zehntausend Sekunden und wurden mit steigendem Rauschen schneller. Für noch größere Rauschstärke wurden Ausbrüche und Hin- und Herwechseln („switching“) zwischen den beiden Raten beobachtet.
Photoelektron-Emissions-Mikroskopie (PEEM) wurde eingesetzt, um die Musterbildung der Adsorbate auf der Oberfläche sichtbar zu machen. Diese Muster waren aufgrund der CO2 Ratenmessungen erwartet worden. CO- und Sauerstoff-bedeckte Bereiche auf der Ir(111) Oberfläche erscheinen aufgrund ihrer unterschiedlichen Austrittsarbeit im PEEM Bild als graue bzw. schwarze Flächen. Inseln des Adsorbates, welches dem global stabilen Ast entspricht, bilden sich im Hintergrund des anderen. Die lang dauernden Übergänge sind Folge der äußerst langsamen Bewegung der Domänenwände (um 0.05 µm s 1).
Bei kleinem Rauschen entstehen nur wenige Inseln, diese wachsen bis sie mit anderen verschmelzen und letztendlich die gesamte Oberfläche einnehmen. Mit steigendem Rauschen steigt die Anzahl der Inseln und deren maximale Größe sinkt. Für großes Rauschen werden Ausbrüche (die Oberfläche ändert ihre Bedeckung nur für eine kurze Zeitspanne) und Hin- und Herwechseln (das auf der Oberfläche dominierende Adsorbat wechselt für eine längere Zeit) beobachtet. Der Übergang zwischen den beiden Bedeckungen der Oberfläche erfolgt entweder über viele kleine, manchmal unscharfe wachsende Inseln oder annähernd einheitlich innerhalb der Zeitspanne, die nötig ist, um ein PEEM-Bild aufzunehmen. Bei konstantem Y wächst die Wandgeschwindigkeit der Inseln und die Anzahl der Inseln, wenn sich Y den Rand der Hysterese nähert.
Im Bereich der Hysterese ist die CO-Oxidation auf der Iridium(111)-Oberfläche für kleine bis mittlere Rauschstärken von der Inselbildung und der Bewegung der Domänenwände dominiert. Die Inseldichte wächst mit steigendem Rauschen an, die Wandgeschwindigkeit hingegen ist unabhängig von DeltaY. Für größere Rauschstärken wurde ebenso schnelles Hin- und Herwechseln zwischen einer überwiegend mit Sauerstoff- und einer überwiegend mit CO-bedeckten Oberfläche beobachtet, wie auch die Nukleation und das Wachstum des Minoritäts-Adsorbats im dominierenden Adsorbat.
Die abgebildeten Inseln zeigen eine elliptische Form und keine kreisförmige, wie man es wegen der Symmetrie der Ir(111)-Oberfläche erwarten würde. Weitere Experimente zur CO Oxidation unter Verwendung einer absichtlich gestuften Oberfläche (Ir(977)) zeigten, dass diese Beobachtung die Folge der anisotropen Diffusion auf der Oberfläche ist. Die Anisotropie entsteht durch die begrenzte Ausdehnung der Terrassen auf einer realen Oberfläche. Die elliptischen Inseln sind entlang der Terrassen ausgerichtet und das Verhältnis ihrer Achsen ist durch die Wandgeschwindigkeiten parallel und senkrecht zu diesen Terrassen gegeben.
Für das numerisch analysierte Reaktions-Diffusions System wurden alle Parameter dem Experiment entnommen. Die Modellierung des Reaktions-Diffusions-Systems zeigte eine qualitative bis hin zur quantitativen Übereinstimmung mit den experimentellen Beobachtungen. Die Längenskala des Modell-Gitters wurde durch die im Experiment beobachteten Wandgeschwindigkeiten bestimmt.