(im Rahmen der Graduiertenakademie von Profil3, Schwerpunkt "Schule - Unterricht - Lernen")
Leitung:
Prof. Dr. C. Quaiser-Pohl und apl. Prof. Dr. M. Endepohls-Ulpe
Schriftsprachliches Lernen mit literarischen Vorgaben und Lesemotivation in der Grundschule Bildungssprache ist eine Sprache, die im Vergleich zur Alltagssprache sehr viel komplexer ist. Sie zu beherrschen ist eine zentrale Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe an Bildung. An dieser Stelle setzt das vorliegende Forschungsprojekt an, in dem die Bedeutung impliziter Lernprozesse für den Erwerb komplexer, schriftsprachlicher Strukturen im Zentrum steht. Anstatt bestimmte sprachliche Strukturen zu trainieren, wird auf das wiederholte Vorlesen von literar-ästhetisch anspruchsvollen Bilderbüchern sowie auf mündliche und schriftliche Formen der Anschlusskommunikation gesetzt. Ausgangspunkt ist die literarische Dimension der Bücher, ist das Eintauchen in narrative Welten, die den Kindern im Sinne des ‚höreraktivierenden Vorlesens‘ (Spinner) angeboten werden. Auswirkungen dieses didaktischen Ansatzes auf verschiedene Aspekte des schriftsprachlichen Lernens (z.B. Wortschatz, Syntax) und ihre Bedeutung im Kontext der Lesemotivation werden in drei Teilstudien untersucht.
Gefördert von:
Graduiertenakademie Bildung - Mensch - Umwelt
Laufzeit:
seit 1.3.2016
Teilprojekt 1: „Schriftsprachliches Lernen im Kontext von Bilderbüchern in gereimter und nicht gereimter Sprache – Eine Interventionsstudie in Klasse 3“
Der Erwerb schriftsprachlicher Strukturen ist stark davon abhängig, wie viel Erfahrungen die Kinder mit dieser deutlich von der Alltagssprache zu unterscheidenden Sprachform jeweils haben. Im Anschluss an die sog. Kontrasthypothese, die besagt, dass die Aufmerksamkeit für schriftsprachliche Strukturen im Erwerb umso größer ist, je größer der wahrgenommene Kontrast zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit ist, soll im Rahmen einer kontrollierten Intervention untersucht werden, inwiefern die starke Geformtheit gereimter Sprache den Erwerb konzeptionell schriftsprachlicher Strukturen in besonderer Weise herausfordert. Dazu sollen drei Klassen (n= 60 Kinder) Bilderbücher mit gereimter Sprache vorgelesen bekommen und schriftliche und mündliche Anschlussaufgaben erhalten. Drei Klassen machen dasselbe mit Bilderbüchern ohne gereimte Sprache; eine Kontrollgruppe von drei Klassen (n=60) durchläuft ein von Umfang und Art vergleichbares nicht-sprachliches didaktisches Angebot. Insofern ergeben sich drei Fragestellungen, die in Teilprojekt 1a und 1b mit unterschiedlichen Auswertungsschwerpunkten untersucht werden sollen:
Wie gehen Kinder mit den konzeptionell schriftsprachlichen Strukturen der Vorgabe in den Eigenproduktionen um? Inwiefern unterscheidet sich der Umgang mit schriftsprachlichen Strukturen zwischen Klassen, die zu gereimten Bilderbüchern gearbeitet haben, von denen, die mit nicht gereimten Bilderbüchern gearbeitet haben?(1b)
Welche Auswirkungen hat diese Art von Umgang mit Literatur auf die schrift-sprachlichen sowie die sozial-kognitiven Fähigkeiten der Kinder? (1a)
Lassen sich differenzielle Verläufe in Bezug auf die Verwendung schriftsprachlicher Strukturen und die damit verbundenen Lernprozesse aufzeigen? (1a und 1b)
Teilprojekt 1a: Quantitativ orientierter Auswertungsansatz
Leitung:
Prof. Dr. C. Quaiser-Pohl
Die Entwicklungen der Kinder im Bereich von Syntax und Wortschatz, aber auch im Bereich sozial-kognitiver Fähigkeiten wie der Perspektivübernahme, die für den Umgang mit Literatur zentral sind, werden quantitativ-methodisch untersucht. Dazu werden die interessierenden Konstrukte mit Hilfe von standardisierten Testverfahren (Lese- und Schreibtests, Sprachentwicklungstests, Tests zur Perspektivenübernahme) aber auch durch selbst entwickelte Verfahren (z.B. zum literarischen Sprachgebrauch) erfasst. Diese werden in einem Prä-Post-Design allen drei Gruppen zweimal vorgegeben. Zusätzlich wird der Sprach- und Bildungshintergrund der Kinder erhoben und kontrolliert.
Teilprojekt 1b: Qualitativ orientierter Auswertungsansatz
Leitung:
Prof. Dr. D. Merklinger (Institut für Grundschulpädagogik)
Die Verwendung schriftsprachlicher Strukturen wird inhaltsanalytisch in den Kinderprodukten analysiert. Außerdem wird zu untersuchen sein, wie die Kinder bestimmte schriftsprachliche Strukturen und auch literarische Mittel, die die Vorgaben anbieten, in ihren Eigenproduktionen verwenden. Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Testverfahren aus Teilstudie 1a können zudem individuelle Lernentwicklungen von Kindern mit unterschiedlicher Ausgangslage qualitativ genauer beschrieben werden, die im Bereich von Syntax und Wortschatz verschiedene Zuwächse verzeichnen. Anhand der Kinderprodukte lässt sich – auf der Grundlage der Daten von Kindern mit großen Lernzuwächsen – rekonstruieren, welcher Umgang mit den Sprachstrukturen der Vorgaben für kindliche Zugänge zu Schriftlichkeit lernförderlich sein kann.
Teilprojekt 2: „Entwicklung der Lesemotivation von Jungen und Mädchen in der Grundschule“
Leitung:
apl. Prof. Dr. M. Endepohls-Ulpe und Madeleine Stein, M. Ed.
Anhand einer Fragebogenerhebung sollen im Rahmen des dritten Teilprojektes die Interventionsmaßnahmen zum Umgang mit literarischen Vorgaben in ihrer Auswirkung auf die Lesemotivation evaluiert werden. Außerdem sollen in einer erweiterten Erhebung die Bedeutung verschiedener im Zusammenhang mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Lesemotivation stehender Variablen bei Jungen und Mädchen überprüft werden. Dass Lesemotivation, vereinfacht definiert als Ausmaß des Wunsches aktuell zu lesen, sowie die häufig wiederkehrende Absicht dieses zu tun, eine zentrale Bedingung der Lesekompetenz ist, ist in der Forschung unumstritten. Eine hohe Lesemotivation führt durch vermehrtes Ausführen der Tätigkeit Lesen zu besserer Lesekompetenz, welche sich wiederum positiv auf das Leseselbstkonzept und die Lesemotivation auswirkt. Die in Schulleistungsvergleichsstudien an älteren Schülern gefunden Geschlechtsunterschiede in der Lesekompetenz zu Gunsten der Mädchen werden auf die höhere intrinsische Lesemotivation der Mädchen schon im Grundschulalter zurückgeführt, aber auch mit geschlechtstypischen Interessenunterschiede und Unterschieden in den Vorlieben für bestimmte Genres (z.B. Fiktion vs. Comics) in Verbindung gebracht.. Die Ursachen hierfür sind in der Forschung noch nicht hinreichend geklärt. Dies soll vor der Hintergrund des vorliegenden Forschungsstandes im Rahmen der Studie auf der Grundlage eines differenzierten motivationstheoretischen Konzeptes geschehen.