Lahnstein Der junge Geschichtslehrer Ben Ross (Timmi Schüßler) arbeitet mit seiner Klasse zum Thema Nationalsozialismus. „Und die Bevölkerung hat einfach zugesehen?“, fragt eine Schülerin erstaunt, als sie bei der Judenvernichtung angelangt sind. Ross wagt daraufhin ein Experiment mit seiner Klasse: Können sich die Ereignisse aus der Nazizeit heute wiederholen? Zunächst sollen die Schüler:innen Ordnung und Disziplin lernen, sie müssen aufrecht und gerade sitzen, vor jeder Antwort im Unterricht aufstehen und den Lehrer mit „Mr. Ross“ ansprechen. Das Konzept kommt an: „Wir werden zu einer Einheit“, merken die jungen Leute und Begeisterung macht sich breit. Zur Disziplin kommt ein Slogan, zum Slogan ein Symbol: die Welle. „Stärke durch Disziplin, Stärke durch Gemeinschaft, Stärke durch Aktion“, erschallt es von den Schülern im Chor. Der bisherige Außenseiter und unterdrückte Schüler Robert (Tim Eberle) erlebt eine besondere Wandlung und entwickelt sich zum Tonangeber der Gruppe. Zusammengehörigkeitsgefühl und Stärke nehmen mehr und mehr zu und alle, die Zweifel äußern und die Welle nicht unterstützen, werden angefeindet und ausgeschlossen. So auch Laurie (Catalina Deus), die einen kritischen Artikel für die Schülerzeitung schreibt und somit ins Fadenkreuz ihrer Mitschüler gerät. Das Experiment von Lehrer Ross entgleitet ihm zusehends und gewinnt eine Eigendynamik. Das Ensemble der Jungen Bühne Lahnstein, unter der Leitung von Corinna Schmitz, bringt eine Inszenierung auf die Bühne, die unter die Haut geht. Wenn die Darsteller, die selbst vom Alter perfekt zu ihren Rollen passen, in der Aula des Johannes-Gymnasiums den originalen Videoberichten des NS Regimes lauschen und man erlebt, wie sie sich mehr und mehr einem totalitären System unterordnen, so treffen Gänsehaut, Beklemmung und aufgestellte Nackenhaare aufeinander. „Die Welle“ erwischt jeden, reißt mit, rüttelt wach. Dies ist auch in der Stimmung des Publikums bei der gelungenen Premiere am Samstagabend zu spüren: Es herrscht erschreckende Stille im Saal, alle starren gebannt nach vorn und zucken regelrecht zusammen, sobald die autoritären Parolen der hervorragenden Darsteller erklingen. Das Bühnenbild, welches exakt abgestimmt durch seinen Minimalismus Geradlinigkeit und Stärke zeigt, untermalt die perfekte Szenerie. Mit Standing Ovations bedankt sich das Publikum am Ende der 2-stündigen Show. Was gibt es einer Gruppe, sich einer anderen gegenüber überlegen zu fühlen? Wann wird Zusammenhalt in der Gruppe zur Ausgrenzung anderer? Braucht es letztlich nur entsprechend viele schweigende Zuseher:innen, um die Demokratie zu gefährden? Die Welle nimmt uns mit zu einer Besinnung darauf, dass die Demokratie nicht gratis ist, sondern für jede Generation aufs Neue gewonnen werden muss.
Karten für die weiteren Aufführungen, am 28.5. um 20 Uhr und am 29.5. um 18 Uhr, gibt es unter www.junge-buehne-lahnstein.de sowie an der Tageskasse (1 Stunde vor Beginn)