Kulturgeschichte als Bürgerwissenschaft – Digitalprojekte der Universität Koblenz wecken Interesse

Prof. Dr. Michael Klemm (li.) und Dr. Peter Ferdinand präsentierten auch das Projekt "Mittelrhein Eduventure - The Next Step". Bild: KuLaDig-RLP / Florian Weber
Prof. Dr. Michael Klemm (li.) und Dr. Peter Ferdinand präsentierten auch das Projekt "Mittelrhein Eduventure - The Next Step". Bild: KuLaDig-RLP / Florian Weber
Mit gleich zwei Projekten war die Universität Koblenz bei der Informationsveranstaltung „Kulturerbe digital vermitteln“ in Oberwesel vertreten. Das Landesprojekt KuLaDig Rheinland-Pfalz und die digitale Schnitzeljagd „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“ zeigten, wie man Bürgerwissenschaften und modernste digitale Anwendungen miteinander verbinden kann.

Ausgerichtet wurde die für alle Interessierten kostenlose Informationsveranstaltung von der Lokalen Aktionsgruppe Welterbe Oberes Mittelrheintal. Mittels kurzer Präsentationen stellten insgesamt acht Anbieter ihre Anwendungen in einem ersten Teil vor. Projektleiter Prof. Dr. Michael Klemm von der Universität Koblenz präsentierte das Landesprojekt „Digitale Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz (KuLaDig-RLP)“ und gab einen Überblick über einige Best-Practice-Modelle. Besonders der bürgerwissenschaftliche Aspekt des Projekts („Citizen Science“) und die langfristige Zusammenarbeit mit dem KuLaDig-Portal mitsamt seiner 15.000 Objekte des kulturellen Erbes standen im Fokus. Deutlich wurde, dass man auch mit geringem Kostenaufwand, aber viel Kreativität, Engagement und Herzblut beeindruckende Ergebnisse erzielen und vielfältige Wissensformate entwickeln kann.

Dr. Peter Ferdinand vom Interdisziplinären Zentrum für Lehre (IZL) der Universität Koblenz stellte das Mittelrhein-Eduventure-Projekt vor, bei dem man spielerisch auf den Spuren von Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher die Ereignisse des Rheinübergangs 1813/14 nachempfinden kann. Die digitale Schnitzeljagd mit ihren vielfältigen Multimedia-Einbindungen - in Actionbound sind virtuelle 360-Grad-Räume und aufwändige Mixed-Reality-Animationen eingebunden - traf bei vielen Besucher*innen auf reges Interesse.

Im zweiten Teil der Veranstaltung bestand Zeit für den persönlichen Austausch, das Ausprobieren der digitalen Umsetzungen und zum Vernetzen beim Markt der Möglichkeiten. KuLaDig-RLP und das Mittelrhein-Eduventure-Projekt waren jeweils mit einem Stand vertreten und trafen auf viel Interesse bei den zahlreichen Besucher*innen der Veranstaltung. Nicht ausgeschlossen, dass sich hieraus Anschlussprojekte ergeben.

Hintergrundinformationen zum Projekt „Digitale Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz (KuLaDig-RLP)“

Jede Kommune hat ihr spezielles kulturelles Erbe, das lokale Identität stiftet. Ziel des Forschungs-, Modell- und Förderprojekts „Digitale Erfassung und Präsentation von Kulturlandschaften in Rheinland-Pfalz“ ist es, die kulturelle Vielfalt in Rheinland-Pfalz systematisch zu erfassen. Das Projekt wird seit 2019 vom rheinland-pfälzischen Innenministerium und der Universität Koblenz finanziert und federführend vom Institut für Kulturwissenschaft durchgeführt. Im Rahmen des Projekts werden ausgewählte Objekte digital wie multimedial aufbereitet. Damit verbundene Geschichten werden sichtbar und im Alltag vielseitig nutzbar gemacht - für Einheimische wie auch für Außenstehende. Technische Basis ist das seit 2002 vom Landschaftsverband Rheinland betriebene Informationsportal „KuLaDig - Kultur.Landschaft.Digital“ (www.kuladig.de), ergänzt um weitere digitale Plattformen zur Präsentation von Audio- und Videosequenzen, Online-Storytelling und virtuellen Räumen.

KuLaDig-RLP fördert durch Diskussionen und Projekte vor Ort gezielt eine Kommunalentwicklung „von unten“: Dabei wird berücksichtigt, welche Objekte des kulturellen Erbes der jeweiligen Kommune wichtig sind, sei es die Burg, die Kirche, die Mühle, das Flurkreuz, der Fluss, die Weinberge oder das Industriedenkmal. Im Blick steht zudem, welche Objekte vor Ort Identität stiften und Bezugspunkte für Anekdoten, Bräuche und die Regionalgeschichte darstellen. Auch das die Objekte verbindende Leitthema wird beleuchtet. Formate wie etwa ein Rundweg, ein Bildungsangebot oder eine digitale Schnitzeljagd werden gemeinsam mit den Kommunen entwickelt, um die Objekte ihres kulturellen Erbes öffentlichkeitswirksam und kreativ in Wert zu setzen.

Ausgangspunkt ist ein modernes Heimat- und Identitätskonzept für Alteingesessene wie auch Zugezogene: Mithilfe sinnstiftender Orte und Texte können Tradition und Wissen erkannt, erfasst, bewahrt und erlebbar gemacht werden, um gemeinsam die Zukunft im Ort zu gestalten. Ziel des Projekts ist auch, zusammen mit den beteiligten Kommunen Modelle für die Digitalisierung des kulturellen Erbes für ganz Rheinland-Pfalz zu generieren. Im Projekt wurden inzwischen 55 Kommunen bzw. Verbandsgemeinden gefördert und viele Modelle und Formate entwickelt.

Weitere Informationen finden sich unter http://kuladigrlp.net.

KuLaDig: KuLaDig - Kultur.Landschaft.Digital., online verfügbar über www.kuladig.de sowie auch als kostenlose Smartphone-App, ist ein Fachinformationssystem über die historische Kulturlandschaft und deren Bestandteile. Die Inhalte dieses Informationssystems haben einen Bestandsschutz bis mindestens zum Jahr 2050. KuLaDig verzeichnet im Durchschnitt 70.000 bis 90.000 Seitenbesuche im Monat (Stand Februar 2024) und verfügt derzeit über etwa 15.000 Einträge aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein. Das Wissensportal und sein Datenbestand werden stetig weiterentwickelt.

Hintergrundinformationen zum Projekt „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“ 

Das Projekt „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“ bereitet Orte im Bereich des Welterbes Oberes Mittelrheintal (WOM) in digitaler Form auf und macht sie interaktiv erfahrbar. Ein Eduventure ist ein moderner, game-orientierter Ansatz der digitalen Wissensvermittlung, der Aspekte von Education und Adventure kombiniert. Das Projekt soll Besucher*innen nicht nur ein attraktives Erkunden von interessanten Orten im WOM unter Freizeit- und Tourismusaspekten ermöglichen. Ein Eduventure soll auch den Erwerb von Wissen zu den für die BUGA 2029 und das WOM relevanten Themenbereichen motivieren.

Aktuell befindet sich das Projekt im Stadium eines Pilotvorhabens. Der Pilot fokussiert exemplarisch auf den Bereich kulturhistorischen Wissens, das mittels digitaler Endgeräte und Apps vor Ort, in der Landschaft, für künftige Besucher der Bundesgartenschau BUGA 2029 zugänglich gemacht wird. Dazu wurden zwei Pilot-Eduventures realisiert, die Ereignisse und Orte im Kontext des Rheinübergangs durch Feldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher 1813/14 im Rahmen eines didaktischen, multimedialen Storytellings erlebbar machen: An Neujahr 1814 überschritt Blüchers Schlesische Armee den Rhein bei Kaub. Mit dem für Napoleon unerwarteten Winterfeldzug begann der Angriff der Alliierten auf das französische Kernland. Unter Blüchers Kommando überquerten innerhalb von nur fünf Tagen rund 50.000 Soldaten, 15.000 Pferde und 182 Geschütze der Schlesischen Armee von Kaub aus den Rhein und drängten im weiteren Verlauf ihres Vormarsches die nach der Völkerschlacht bei Leipzig geschwächten napoleonischen Truppen zurück. Blücher trug somit wesentlich dazu bei, dass das Königreich Preußen beim Wiener Kongress zu den Siegermächten gehörte.  

Das Eintauchen des heutigen Besuchers in diese Inhalte und den Kontext der historischen Ereignisse mit dem Ziel der Wissensvermittlung werden im Projekt „Mittelrhein-Eduventure – The Next Step“ didaktisch über Storytelling und Gamification wie auch technisch mit Hilfe von Mixed-Reality unterstützt. Erzählt wird dabei nicht nur von der militärischen Meisterleistung Blüchers, sondern auch vom Leid der Bevölkerung und der einfachen Soldaten.

Datum der Veröffentlichung
Fachliche AnsprechpartnerProf. Dr. Michael Klemm und Dr. Peter Ferdinand
Universität Koblenz Universitätsstraße 1 56070 Koblenz
E-Mail: klemm@uni-koblenz.de / ferdinand@uni-koblenz.deTel.: 0261 287 2193 / 0261 287 1553