Forschungsinitiative

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Über die Forschungsinitiative

Das Zeitalter des ‚Anthropozäns' ist durch einen umfassenden Einfluss des Menschen auf seine Umwelt geprägt. In diesem Zusammenhang prominent diskutierte Themen sind zum Beispiel Klima- und Landnutzungswandel, Umweltverschmutzung und Eutrophierung sowie der dramatische Verlust der Artenvielfalt. Die Erforschung und Bewertung des anthropogenen Einflusses auf Ökosysteme stellt eine vordringliche gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Die Forschungsinitiative bearbeitet in diesem Kontext zum einen die Auswirkungen von Temperaturveränderungen und Eutrophierung, welche anthropogene Stressoren herausragender Bedeutung darstellen. Zum anderen wird das Schadpotential von Mikroplastikpartikeln in aquatischen Ökosystemen untersucht, welche ein ökotoxikologisches Risiko darstellen. Ziel der betreffenden Projekte ist die Erarbeitungen von Vorschlägen zum Risikomanagement von Mikroplastik.

Hintergrund

Das Zeitalter des ‚Anthropozäns' (Nature 415: 23) ist durch einen umfassenden Einfluss des Menschen auf seine Umwelt im globalen Maßstab geprägt - einem globalen Wandel. In diesem Zusammenhang prominent diskutierte Themen umfassen zum Beispiel Klima- und Landnutzungswandel, Umweltverschmutzung und Eutrophierung sowie den dramatischen Verlust der Artenvielfalt. Die Auswirkungen dieser Veränderungen sind nicht nur relevant, weil sie das Überleben vieler rezenter Arten in Frage stellen, sondern auch, weil negative Rückkopplungen auf die Menschheit selbst zu befürchten sind (Nature 486: 59; Nature 510: 139). Als Beispiele mögen der Rückgang von Bestäubern, die zunehmende Frequenz extremer Wetterereignisse oder der Anstieg gesundheitsgefährdender Stoffe im Grundwasser dienen. Die Erforschung und Bewertung des anthropogenen Einflusses auf Ökosysteme stellt daher eine vordringliche gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar.




Indirekte Effekte sind charakteristisch für komplexe ökologische Systeme und liegen vor, wenn die Kausalbeziehung zwischen X und Y durch einen Mediator Z beeinflusst wird (Abb.1). Dem Mediator Z kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da er gleichzeitig eine abhängige (im Verhältnis zu X) und eine unabhängige Variable (im Verhältnis zu Y) ist. Zum Beispiel kann Temperatur (= X) direkte Auswirkungen auf Insekten (= Y) haben. Gleichzeitig beeinflusst die Temperatur jedoch auch die larvalen Futterpflanzen (= Z) von Insekten, was sich wiederum auf die Insekten auswirkt (ein indirekter Effekt der Temperaturänderung). Auf der ökosystemaren Ebene bedeutet dies, dass ein Stressor eine bestimmte Struktur oder einen bestimmten Prozess beeinflusst, wobei dieser Einfluss zumindest teilweise durch eine andere Eigenschaft des Systems übertragen wird. Solche indirekten Effekte erschweren jegliche Prognose der Reaktion eines Systems auf Umweltveränderungen (Ecology Letters 18: 834). Indirekte Effekte wurden zum Beispiel in Nahrungsnetzen beschrieben und entstehen, wenn die direkte Interaktion zweier Tierarten durch die Anwesenheit oder die Dichte einer anderen Art beeinflusst wird (Ecology 84: 1083). Die damit verbundene Änderung der Konkurrenzsituation kann große Auswirkungen auf die Artenzusammensetzung haben. Auch anthropogene Stressoren wie Landnutzungs-änderungen oder der Eintrag von Schadstoffen in aquatische oder terrestrische Ökosysteme induzieren direkte und indirekte Effekte, und können durch Veränderung wichtiger Prozesse oder die Interaktion verschiedener Stressoren unerwartete und schwer erklärbare Auswirkungen hervorrufen.

 Vor dem oben skizzierten Hintergrund stellt dieser Profilbereich die Untersuchung indirekter Effekte anthropogener Stressoren in den Mittelpunkt. Dadurch wird eine bedeutende, aber bislang weitgehend vernachlässigte Forschungsfrage bearbeitet. Die Fähigkeit, indirekte Effekte in komplexen ökologischen Systemen zu verstehen und zu quantifizieren, beeinflusst entscheidend unser Vermögen, die Reaktion dieser Systeme zu prognostizieren und ist damit Grundlage jeder Form von Umwelt- bzw. Risikomanagement. Durch die Erforschung indirekter Effekte soll die Grundlage für ein prozessorientiertes Management von Ökosystemen im Sinne eines Erhalts von Ökosystemdienstleistungen und Biodiversität gelegt werden.

Interdisziplinarität

Die Breite des Forschungsthemas bedingt eine interdisziplinäre Herangehensweise. Das Konsortium besteht entsprechend aus 10 Arbeitsgruppen der Abteilungen Biologie, Chemie und Physik des Institutes für Integrierte Naturwissenschaften sowie des Mathematischen Institutes und der Bundesanstalt für Gewässerkunde als externe, international ausgewiesene Ressortforschungseinrichtung. Die beteiligten Gruppen vereinen somit Expertise aus den Bereichen Mikrobiologie, Zoologie, Botanik, Ökologie, organische Chemie, Oberflächen- und Materialphysik sowie Mathematik. Ausschlaggebend für die Zusammensetzung des Konsortiums war neben der fachlichen Passfähigkeit die DFG-Erfahrung der Mitglieder. Es wurde jedoch auch darauf geachtet, den wissenschaftlichen Nachwuchs am Fachbereich einzubinden, um diesem in einem DFG-erfahrenen Umfeld die Möglichkeit zu geben, sich in Richtung einer DFG-Antragsfähigkeit zu entwickeln. Wesentliche Stärken unseres Konsortiums sind (1) die ausgewiesene Expertise mit der einschlägigen Thematik, (2) die Fokussierung auf global relevante Stressoren, (3) die Untersuchung aquatischer wie auch terrestrischer Ökosysteme, (4) die Verwendung unterschiedlicher methodischer Zugänge inklusive kontrollierter Experimente, Untersuchung komplexer Lebensgemeinschaften im Freiland bis hin zur Modellierung und (5) die Integration von Arbeitsgruppen aus verschiedenen Disziplinen.

Cluster A: Indirekte Effekte von Temperaturveränderungen (Klimawandel) und Nährstoffeintrag in Ökosystemen

Mit der Fokussierung auf Temperaturveränderungen und Eutrophierung werden in diesem Cluster anthropogene Stressoren herausragender Bedeutung thematisiert. Während Eutrophierung bereits heute eine sehr hohe Bedeutung für den Verlust der Artenvielfalt hat, könnte der Klimawandel in Zukunft ebenfalls zu einem bedeutenden Gefährdungsfaktor werden (Nature 546: 73). Dieser Cluster untersucht indirekte Effekte der o.g. Stressoren auf ausgewählte Insekten der Agrarlandschaft durch kontrollierte Experimente (A1), auf aquatische Lebensgemeinschaften ebenfalls durch Experimente (A2), auf Pflanzengesellschaften von Mooren im Freiland (A3) sowie mit Hilfe von Modellierung (A4). Die Vorhersage von Systemantworten erfordert die Entwicklung neuer mathematischer Modelle, die die adäquate Berücksichtigung von direkten und indirekten Effekten anthropogener Stressoren ermöglichen. Da für die hier untersuchten Systeme die Datenlage noch nicht für eine Modellentwicklung ausreicht, soll diese an einem bereits besser beschriebenen System, der Ausbreitung von Infektionskrankheiten durch Vektoren, erfolgen. Die in A4 entwickelten Modelle werden jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auf die im Rahmen dieses Profilbereichs erhobenen Datensätze angewandt. Dieser Cluster umfasst somit, bei Fokussierung auf gleiche Stressoren, terrestrische, semi-aquatische und aquatische Ökosysteme, welche derzeit vielfältigen anthropogenen Veränderungen unterliegen und eine hohe Empfindlichkeit aufweisen. Dabei werden unterschiedliche Ebenen (Arten, Gemeinschaften) und Methoden berücksichtigt.


Cluster B: Indirekte Effekte von Mikroplastik in aquatischen Ökosystemen

Das Schadpotential von Mikroplastikpartikeln in aquatischen Ökosystemen ist auf dem aktuellen Kenntnisstand nicht prognostizierbar. In Fließgewässern kommen jedoch erhebliche Mengen Mikroplastikpartikel vor (Environm. Poll. 188: 177), die prinzipiell von Wasserorganismen aufgenommen werden können (Environm. Poll. 199: 10). Die Aufnahme dieser Partikel kann ein direktes ökotoxikologisches Risiko darstellen, da hydrophile Schadstoffe an diese Partikel binden können (Sci. Tot. Envir. 470: 1545) und dadurch in die Nahrungskette gelangen. Es ist momentan nicht bekannt, ob Mikroplastikpartikel indirekte Effekte in aquatischen Ökosystemen bewirken, zum Beispiel, indem sie die Nahrungsqualität von Biofilmen oder Phytoplankton reduzieren oder ob sie durch die Einlagerung in Biofilme deren Stabilität beeinflussen können. Auch Abhängigkeiten der Effekte von der Plastikart oder der Partikelform sind bisher größtenteils unbekannt. Dies ist wahrscheinlich auf methodische Schwierigkeiten zurückzuführen, da bisher keine standardisierten Methoden zur Messung von Biofilmstabilität oder für die Quantifizierung verschiedener Mikroplastikarten in biologischen Proben (Tiere, Biofilme, Phytoplankton) existieren. Da das von Mikroplastik in Binnengewässern ausgehende umwelttoxikologische, ökologische und ökonomische Risikopotenzial weitgehend unbekannt ist, ergeben sich die von dieser Teilgruppe bearbeiteten spezifischen Fragestellungen. Sie beinhalten die Analyse von indirekten Effekten von Mikroplastik auf Schlüsselfunktionen von Biofilmen, die durch Änderung der Biofilmstabilität (B1) oder der Nahrungsqualität (B2) vermittelt werden, die Untersuchung des Einflusses physikalischer Eigenschaften auf die ökologische Wirksamkeit (B3) und die Analyse des ökotoxikologischen Potentials in Abhängigkeit von Alterungsprozessen (B4). Die gemeinsame Zielrichtung aller Projekte ist die Erarbeitungen von Vorschlägen zum Risikomanagement von Mikroplastik in Binnengewässern.

Teilprojekte

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Zielsetzung

Die strategische Zielrichtung des Konsortiums ist die Einwerbung eines strukturierten Programms der DFG, speziell eines Graduiertenkollegs. Diesbezüglich förderlich wird sich die Interdisziplinarität des Konsortiums, der breite wissenschaftliche und methodische Ansatz und die Besetzung eines hochaktuellen und wichtigen Forschungsthemas auswirken. Das Konsortium, welches perspektivisch den Nucleus eines Graduiertenkollegs bilden soll, wird für die beteiligten Doktorand*innen ein strukturiertes Ausbildungsprogramm entwickeln.

Die in den beiden Clustern beschriebenen Teilprojekte untersetzen somit die Größen X, Y und Z, die in Abb. 1 zur Erläuterung des Prinzips indirekter Effekte genutzt wurden, durch global relevante Stressoren, Mediatoren und Systeme, deren Interaktionen das Konsortium interdisziplinär untersuchen wird (Abb. 2). Hierdurch wird ein vertiefter Beitrag zum Verständnis indirekter Effekte geleistet und gleichzeitig die an den Themen arbeitenden Doktorand*innen als Multiplikator*innen dieses Verständnisses wissenschaftlich ausgebildet.




Für die Unterstützung bedanken wir uns.